Leitsatz
§ 37 Abs. 2a KStG 2002 i.d.F. des StVergAbG vom 16.5.2003 (BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321), der ausschüttungsbedingte Minderungen der KSt im Hinblick auf nach dem 11.4.2003 und vor dem 1.1.2006 erfolgende Gewinnausschüttungen ausschließt ("KSt-Moratorium"), ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
§ 34 Abs. 13a, § 37 Abs. 2 und Abs. 2a KStG 2002 i.d.F. des StVergAbG, Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob § 37 Abs. 2a KStG i.d.F. des StVergAbG vom 16.5.2003 (BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321) – KStG 2002 – mit dem GG vereinbar ist.
Die Klägerin, eine AG, begehrt im Zusammenhang mit der Festsetzung der KSt 2003 und der KSt-Vorauszahlungen für 2004 (Streitjahre) die Berücksichtigung einer ausschüttungsbedingten Minderung der Steuer nach Maßgabe des § 37 Abs. 2 KStG 2002. Sie leitet die Minderung der Steuer aus Gewinnausschüttungen ab, die nach dem 11.4.2003 und vor dem 1.1.2006 erfolgt sind; eine jener Gewinnausschüttungen geht jedoch auf einen Beschluss des Vorstands der Klägerin zurück, der schon am 19.11.2002 gefasst worden war.
Das FA hat in den angefochtenen Bescheiden die Minderungsbeträge unter Hinweis auf § 37 Abs. 2a KStG 2002 nicht berücksichtigt. Die dagegen gerichtete Klage blieb ebenso erfolglos (EFG 2005, 1473) ...
Entscheidung
... wie die anschließende Revision. Der BFH hat die Entscheidung des FA bestätigt und nicht, wie von der AG begehrt, die Sache dem BVerfG vorgelegt.
Hinweis
1. Eigentlich ist nur das aus dem Leitsatz erkenntliche "Ergebnis" des Urteils zu notieren, in wenigen Wochen vermutlich auch noch das Aktenzeichen des BVerfG, bei dem mit einiger Sicherheit die Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil angebracht werden wird. Insofern liegen die Dinge ähnlich, wie bei dem Urteil des BFH vom 31.5.2005, I R 107/04 (BFH-PR 2005, 455) zu der Verfassungsmäßigkeit der "Ausschüttungsstreckung" der KSt-Guthaben in § 36 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000. (Das BVerfG-Az. lautet dort: 1 BvR 2192/05.)
2. Dieses Urteil wurde Ihnen in BFH-PR 2005, 455 vorgestellt. Daran ist anzuknüpfen:
Bis Ende 2000 galt im KSt-Recht das "Anrechnungsverfahren", nach dem Gewinnausschüttungen einer Kapitalgesellschaft regelmäßig dazu führten, dass sich die von der Gesellschaft selbst geschuldete KSt minderte. Dieses Verfahren wurde abgeschafft; inzwischen gilt – für die meisten Kapitalgesellschaften seit 2001 – das "Halbeinkünfteverfahren", bei dem Ausschüttungen die Höhe der KSt nicht berühren. Jedoch haben viele Gesellschaften aus früherer Zeit noch "KSt-Guthaben", die sie durch Gewinnausschüttungen realisieren können. Darauf berief sich im konkreten Fall eine AG, die im Mai 2003 eine Dividendenzahlung an ihre Aktionäre beschlossen hatte.
Einer "Mobilisierung" dieser Guthaben hat der Gesetzgeber jedoch gewissen Beschränkungen unterworfen:
- Zunächst waren die Guthaben nach Maßgabe des § 36 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000 nur ratierlich als Minderungsposten nutzbar zu machen, nämlich betraglich "gedeckelt" und gestreckt über einen Zeitraum von 15 Jahren.
- Sodann wurde § 37 Abs. 2a KStG 2002 geschaffen, der für Ausschüttungen nach dem 11.4.2003 und vor dem 1.1.2006 eine Minderung der KSt zum Schutz des Staatshaushalts gänzlich ausschloss. Das ist das im Urteilsfall in Rede stehende KSt-Moratorium.
- Soeben – durch das JStG 2007 – ist eine neue Variante erdacht und geregelt worden, nämlich die "automatische", ausschüttungsbeschlussunabhängige Auszahlung der KSt-Guthaben in 10 gleichen Jahresbeträgen in den Jahren 2008 bis 2017 gem. § 37 Abs. 5 KStG 2002 n.F. Da das jeweilige Guthaben nach § 37 Abs. 4 KStG 2002 n.F. aber letztmals auf den 31.12.2006 ermittelt wird und die "Zwangs-Auszahlung" erst 2008 beginnt, entsteht auch hier eine moratoriumsähnliche Auszahlungssperre von einem Jahr.
3. Es liegt eigentlich auf der Hand, dass die betroffenen Steuerpflichtigen das jedenfalls vorübergehende "Wegsperren" der ihnen ja "gehörenden" KSt-Guthaben nicht so ohne Weiteres hinnehmen wollen. Sie halten die genannten Vorschriften für verfassungswidrig.
a) Bezogen auf die gesetzliche "Ursprungsfassung" des § 36 KStG 1999 i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000 hat der BFH durch Urteil vom 31.5.2005, I R 107/04 (BFH-PR 2005, 455) solche Verfassungseinwände nicht für durchschlagend erachtet. (Er hat allerdings zugleich – und konsequent – probate "Ausweggestaltungen" als nicht missbräuchlich angesehen, s. dazu das Urteil vom 28.6.2006, I R 97/05, BFH-PR 2006, 495.)
b) Das hat sich jetzt für das KSt-Moratorium wiederholt.
Gerügt wurden hier zum einen Fehler im Gesetzgebungsverfahren und zum anderen, dass die Versagung der ausschüttungsbedingten Steuerminderung enteignend wirke und zudem gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstoße. Beidem ist der BFH abermals nicht gefolgt:
Nach seiner Ansicht ist § 37 Abs. 2a KStG 2002 ordnungsgemäß zustande gekommen, obwohl es erst im Rahmen des Vermittlungsausschusses in den Gesetzesentwurf aufgenommen wor...