Leitsatz
Durch die Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO und damit der Gewichtsbesteuerung von sog. Kombinationsfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t hat sich nichts an der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Maßgeblichkeit des Begriffs des Pkws geändert, wie ihn der BFH in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat. Die RL 70/156/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kfz und Kfz-Anhänger an den technischen Fortschritt und die darauf beruhende verkehrsrechtliche Einstufung eines Fahrzeugs sind kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht maßgeblich.
Normenkette
RL 70/156/EWG, § 2 Abs. 2 Satz 1, § 8 KraftStG, § 4 Abs. 4 PBefG
Sachverhalt
Ein Geländewagen vom Typ "Landrover" war im Fahrzeugbrief zwar als "Pkw geschlossen" bezeichnet, vom FA jedoch zunächst als Lkw nach dem Gewicht und entsprechend gering besteuert worden. Dann erging jedoch ein Änderungsbescheid, mit dem das Fahrzeug ab dem 1.5.2005 als Pkw eingestuft und dementsprechend die Steuer erheblich heraufgesetzt wurde.
Das FA begründete die Neueinstufung mit der Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO, wonach sog. Kombinationsfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 Tonnen Lkw waren.
Das FG gewährte gegen diesen Bescheid Aussetzung der Vollziehung; es meinte, die RL 2001/116/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kfz und Kfz-Anhänger an den technischen Fortschritt sei nach Aufhebung des § 23 Abs. 6a StVZO hinsichtlich der Bestimmung dessen, was ein Pkw ist, einschlägig und nach dieser RL der Landrover keinen Pkw.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, damit dieses nach den vorgenannten Kriterien ermittelt, ob das Fahrzeug ein Lkw – was freilich kaum ernstlich in Betracht kommen dürfte – oder ein Pkw ist.
Hinweis
1. Das KraftStG enthält unterschiedliche Steuerstaffeln für Pkw und andere Fahrzeuge, also insbesondere Lkw. Es enthält jedoch keine Definition, was ein Pkw und was ein Lkw ist. Dafür ist wie auch sonst i.d.R. für die Kraftfahrzeugbesteuerung das Verkehrsrecht maßgeblich. Auch die StVZO enthält jedoch keine Definition, was ein Pkw ist. Es gab lediglich bis 2005 eine Vorschrift, nach der Fahrzeuge, die sowohl zur Personenbeförderung wie zur Lastenbeförderung gleichermaßen geeignet sind (von der StVZO "Kombinationsfahrzeuge" genannt), bei einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t – gleichsam fiktiv – Lkw seien. Diese Vorschrift kam den Haltern größerer Geländewagen zugute, weil das für die Besteuerung von Lkw maßgebliche Gewicht der Fahrzeuge relativ gering und die Steuer daher sehr niedrig war. Die tatsächliche Nutzung dieser Fahrzeuge jedoch entsprach zumeist wenig der eines Lkws, weshalb die niedrige Besteuerung als ungerechtfertigtes Privileg empfunden wurde. Durch die Streichung vorgenannter Vorschrift der StVZO ist dieses Privileg seit 2005 weggefallen.
2. Das deutsche Recht verwendet jedoch an zahllosen Stellen den Begriff des Pkws, setzt also seine Bedeutung offenbar als selbstverständlich voraus. Nur in § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG findet sich dazu so etwas wie eine Definition. Danach sind Pkw solche Kfz, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen (einschließlich Fahrer) geeignet und bestimmt sind. Als Lkw sind hingegen die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmten Kfz anzusehen (§ 4 Abs. 4 Nr. 3 PBefG). Diese Definition entspricht genau derjenigen, die der BFH für das Kfz-Steuerrecht in ständiger Rechtsprechung entwickelt hat und für die Kfz-Steuer als maßgeblich ansieht. Dabei sind "Bauart und Einrichtung" umfassend zu würdigen, wobei eine Fülle von Detailgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen ist (z.B. die Zahl der Sitzplätze, die verkehrsrechtlich zulässige Zuladung, die Größe der Ladefläche, die Ausstattung mit Sitzbefestigungspunkten und Sicherheitsgurten, die Verblechung der Seitenfenster, die Beschaffenheit der Karosserie und des Fahrgestells, die Motorisierung und die damit erreichbare Höchstgeschwindigkeit, das äußere Erscheinungsbild und bei Serienfahrzeugen die Konzeption des Herstellers) und keines dieser Merkmale allein entscheidend ist (BFH, Urteil vom 1.8.2000, VII R 26/99, BStBl II 2001, 72).
3. Die Einstufung eines Fahrzeugs durch die Verkehrsbehörde hat kraftfahrzeugsteuerrechtlich keine bindende Wirkung.
4. Die in der RL 70/156/EWG für Fahrzeugklassen und Fahrzeugtypen enthaltenen Begriffsbestimmungen sind – entgegen der Ansicht mancher FG – kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht maßgebend (vgl. auch EuGH, Urteil vom 13.7.2006, Rs. C-83/05). Denn die RL will die Freiheit der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Erhebung der Kfz-Steuer nicht einschränken.
5. Beachten Sie, dass eine Zurückverweisung auch im AdV-Beschwerdeverfahren möglich ist (BFH, Beschluss vom 4.5.2004, VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1363). Der BFH hat hier von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, obwohl nahezu ausgeschlos...