Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Regelmäßig wiederkehrende Ausgaben können in ihrem Entstehungsjahr steuerlich abgezogen werden, auch wenn sie "kurze Zeit" vor oder nach dem Jahreswechsel abfließen. Das Niedersächsische FG erklärt, dass als "kurze Zeit" der Zehntageszeitraum gilt - und hiervon unter keinen Umständen abgewichen werden darf.
Sachverhalt
Ein selbständiger Rechtsanwalt, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte, beglich seine Umsatzsteuervorauszahlung für das 4. Quartal 2009 am 11.1.2010 (Montag). Er verbuchte den Betrag als Betriebsausgaben des Jahres 2009, das Finanzamt ordnete die Ausgaben aufgrund des Abflussprinzips jedoch dem Jahr 2010 zu. Der Anwalt wandte sich gegen diese Einordnung und erklärte, dass die Zahlung zwar nicht innerhalb von zehn Tagen nach dem Jahreswechsel geleistet worden sei (= anzuerkennende "kurzer Zeit" i. S. der Abflussregelung), der zehnte Tag des Jahres 2010 jedoch ein Sonntag war, sodass die Frist auch noch den nachfolgenden Montag umfassen müsse.
Entscheidung
Das FG urteilte, dass der Anwalt die Umsatzsteuervorauszahlung nicht im Jahr 2009 als Betriebsausgabe verbuchen durfte. Zwar handelt es sich bei der Zahlung um eine "regelmäßig wiederkehrende Ausgabe", die nach der Abflussregelung (§ 11 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 EStG) grundsätzlich auch dann noch in ihrem Entstehungsjahr abgezogen werden darf, wenn sie innerhalb "kurzer Zeit" vor oder nach diesem Jahr verausgabt wurde. Da die BFH-Rechtsprechung als "kurze Zeit" jedoch nur einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen anerkennt, ist eine am 11. Januar geleistete Zahlung steuerlich nicht mehr im vorangegangenen Jahr zu berücksichtigen. Der BFH hat mit Urteil v. 6.11.2002, X B 30/02, ausdrücklich klargestellt, dass die Zehntagesgrenze nicht wegen besonderer Umstände des Einzelfalls erweiterbar ist.
Hinweis
Der Anwalt hatte sich auf § 193 BGB berufen, wonach in Fällen, in denen an einem bestimmten Tag (oder innerhalb einer Frist) eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken ist und dieser Tag (oder der letzte Tag der Frist) auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertrag fällt, der nächste Werktag an die Stelle eines solchen Tages tritt. Das FG ließ diese Regelung für die zeitliche Zurechnung im Zu- und Abflussprinzip jedoch nicht gelten. Denn nach Auffassung des Gerichts ist vorliegend keine Leistung zu bewirken, wie es der Wortlaut des § 193 BGB fordert, da die Regelung zur "kurzen Zeit" keine Zahlungspflichten bestimmt.
Die Revision ist beim BFH unter dem Az. VIII R 34/12 anhängig.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.02.2012, 3 K 468/11