Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 11.11.1999; Aktenzeichen 4 Ca 319/99) |
Tenor
I.Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom11.11.1999 – Az.: 4 Ca 319/99 – im Kostenpunkt aufgehoben und, soweit die Klage des Klägers abgewiesen wurde, abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, diejenigen Kopien des an den Kläger gerichteten Schreibens des Herrn M. vom 18.03.1999, welche den Herren P. und G. zugeleitet wurden, aus den Akten der Hörfunk-Chefredaktion und der Personalverwaltung zu entfernen.
II.Auf die Berufung des Beklagten wird das oben erwähnte Urteil teilweise abgeändert.
- Die Feststellungsklage des Klägers wird abgewiesen.
- Im übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/10 und der Beklagte 9/10.
Tatbestand
Der im Jahre 1946 geborene Kläger steht seit 1977 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis als Redakteur und Reporter mit dem Beklagten (bzw. dessen Rechtsvorgänger), einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt.
Wenige Tage vor Ausbruch des Kosovo-Kriegs, nämlich am 15.03.1999, führte der Kläger ein in der Sendereihe „…-aktuell” live gesendetes Telefon-Interview mit dem sich in Pristina/Kosovo aufhaltenden Korrespondenten des Bayerischen Rundfunks und stellte ihm abschließend folgende Frage:
„Was erfahren Sie über die Urheber der Bombenanschläge der letzten Tage? Da muß man ja nach dem angeblichen Massaker von Racak, das nach internationalen Untersuchungen keines gewesen ist, etwas vorsichtig sein, weil damit Propaganda und Politik gemacht wird.”.
Der Befragte antwortete:
„Man muß damit vorsichtig sein, das stimmt – wobei immer noch die OSZE hier, die ja ihre Beobachter unmittelbar nach dem Massaker von Racak – wenn Sie das ansprechen – vor Ort hatte, dabei bleibt:
Dies war ein klassisches Massaker, hier sind Zivilisten aus der Nähe buchstäblich exekutiert worden. Wir werden ja übermorgen den Bericht der finnischen Pathologen und Gerichtsmediziner hier auch in Pristina vorgelegt bekommen, vielleicht erfahren wir dann Näheres …”.
Dies nahm der Leiter der Abteilung „Zentrale Information …” des Beklagten zum Anlaß, dem Kläger am 18.03.1999 einen Brief zu schreiben und Kopien hiervon den Leitern der Hörfunk-Chefredaktion und der Personalverwaltung zukommen zu lassen:
„Lieber …
ich muß eine Formulierung von Dir in der 12-Uhr-Sendung vom 15.03.1999 abmahnen.
Frage an den Korrespondenten … im Kosovo: (… folgt der Wortlaut der oben wiedergegebenen Frage). Diese Formulierung ergreift in unakzeptabler Weise Partei, indem sie sich an die serbische Propaganda anlehnt. Damit werden nachträglich die Opfer verhöhnt, darunter auch eine Frau und ein Kind. Es gibt keine einzige Untersuchung, die den Massakervorwurf widerlegt. Auch die Aussage von weißrussischen Pathologen, daß die Schüsse aus einer gewissen Distanz abgegeben worden seien, widerlegt die These nicht, daß hier Zivilisten ermordet wurden. Die These, es handele sich um als Zivilisten verkleidete Kämpfer der UCK, findet sich ausschließlich in der Propaganda der serbischen Medien. Wir sind nicht dazu da, diese Propaganda unreflektiert weiterzuverbreiten, sondern aufzuklären, zumindest aber darüber, daß bisher kein Untersuchungsergebnis vorliegt, das die serbische Darstellung stützt.
Daß es sich hier um einen Terroranschlag gegen Zivilisten handelt, war das Ergebnis der ersten Prüfungen der OSZE-Beobachter vor Ort. Das Gegenteil konntest Du vor dem Abschluß der EU-Untersuchungen durch das finnische Expertenteam auf keinen Fall so behaupten. Dies heute veröffentlichte Ergebnis lautet im übrigen: ‚… daß es keine Hinweise dafür gibt, daß es sich bei den Betroffenen nicht um unbewaffnete Zivilpersonen handelte.’ Es gab auch keine Schießrückstände an den Händen, wie es die serbische Propaganda immer wieder behauptet hat. Die meisten Todesschüsse waren entgegen der Behauptung der weißrussischen Pathologen Genickschüsse und Kopfschüsse von hinten, die etwa zur gleichen Zeit abgegeben worden sind.
Noch eine weitere solche unverantwortliche die Fakten entstellende Moderation hat ein sofortiges Moderationsverbot zur Folge.”
Der Kläger hat mit seiner am 19.05.1999 erhobenen Klage beantragt,
die Abmahnung vom 18.03.1999 zurückzunehmen und aus sämtlichen Akten des Beklagten – ausgenommen Prozeßakten des Justitiariats – zu entfernen,
was der Beklagte mit der Begründung abgelehnt hat, es sei das Schreiben nicht zur Personalakte gelangt und auch keine Kündigung angedroht worden.
Am 06.05.1999 verlas der Kläger die 7-Uhr-Nachrichten, darunter den von ihm zuvor verfaßten Satz:
„Auch die 7. Woche des NATO-Angriffskriegs gegen Jugoslawien begann mit schweren nächtlichen Bombardements in mehreren Städten.”
Noch am gleichen Tage verhängte der Beklagte gegen den Kläger „bis auf weiteres” ein Moderationsverbot.
Der Kläger hat daraufhin seine Klage erweitert um
die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Maßnahme vom 06.05.1999
und um
die Verurteilung des Beklagten, ihn zu den bisherigen Arbeitsbedingun...