Entscheidungsstichwort (Thema)
Unangemessene Rückzahlungsklausel im Arbeitnehmer-Darlehensvertrag. Einheitliches Rechtsgeschäft zwischen Darlehens- und Arbeitsvertrag. Angemessenheit einer Rückzahlung bei Möglichkeit der Verhinderung durch Betriebstreue
Leitsatz (amtlich)
1. Ob eine Rückzahlungsklausel aus einem Darlehensvertrag den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, bestimmt sich nach den Kriterien der Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklauseln bei Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, wenn die Aus- und Fortbildungsmaßnahme auch im Interesse des Arbeitgebers durchgeführt wird. Insofern ist ein einheitliches Rechtsgeschäft anzunehmen.
2. Eine Rückzahlungsverpflichtung für die Kosten eines Lehrgangs zum Erwerb einer Musterberechtigung (Type Rating) für das Flugzeug A 320 Family stellt nur dann keine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar, wenn dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, der Rückzahlungsverpflichtung durch Betriebstreue zu entgehen (in Abgrenzung zu BAG 21.11.2001 - 5 AZR 158/00 - juris).
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1; ZPO § 91
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 25.05.2020; Aktenzeichen 23 Ca 7911/19) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 25.05.2020 - 23 Ca 7911/19 - abgeändert:
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
III. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Rückzahlung eines Darlehens in Ratenform in Höhe von insgesamt 19.287,66 EUR.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A Fluggesellschaft mbH. Er ist mit Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 01.04.2019 zum Insolvenzverwalter bestellt worden (Bl. 32 d.A.). Die Insolvenzschuldnerin führte Lufttransporte aller Art durch und beschäftigte zuletzt noch ca. 1.287 Mitarbeiter.
Der Beklagte war seit dem 23.04.2016 bei der Insolvenzschuldnerin als Flugbegleiter beschäftigt.
Er verfügte über die allgemeine Erlaubnis als Verkehrsflugzeugführer.
Am 07.05.2018 schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte einen als Darlehensvertrag betitelten Vertrag (Blatt 38f der Akte), wobei ein Standardformular benutzt wurde, das auch dann zur Anwendung kam, wenn noch keinerlei Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin bestand. Auszugsweise lautet der Vertrag wie folgt:
"Im Hinblick auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Gesellschaft vereinbaren die Parteien folgendes Darlehen und zwar zur Finanzierung des/der Type Rating Lehrganges/Prüfung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A 320 Family:
§ 1 Darlehen
Die Gesellschaft gewährt dem Darlehensnehmer ein Darlehen in Höhe von 20.950 EUR (in Worten: zwanzigtausendneunhundertfünfzig Euro) ("Darlehensbetrag").
...
§ 3 Zins/Lohnsteuer
(1) Das Darlehen ist nicht zu verzinsen.
...
§ 4 Tilgung
(1) Das Darlehen ist in monatlichen Raten in Höhe von 225 EUR (in Worten: zweihundertfünfundzwanzig Euro) (Höhe der Einzelraten), mit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zu tilgen und zwar jeweils zum Ende des Monats, der dem Beginn des Arbeitsverhältnisses folgt (Datum der ersten Ratenzahlung).
(2) Nach der ersten Ratenzahlung sind die Tilgungsraten ebenfalls jeweils zum Ende eines Monats fällig.
(3) Die Tilgung des Darlehens erfolgt über einen Zeitraum von 94 Monaten.
§ 5 Einbehalt
(1) Die Gesellschaft ist berechtigt, fällige und pfändbare Lohnansprüche des Darlehensnehmers mit den jeweils fälligen Darlehenstilgungsansprüchen der Gesellschaft zu verrechnen.
...
§ 6 Vorzeitige Beendigung des Darlehens/Fälligkeit
(1) Der ausstehende Darlehensbetrag wird insgesamt fällig, wenn das bestehende Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Grunde, beendet wird. Dies gilt nicht für die Fälle der betriebsbedingten Kündigung, der durch die Gesellschaft veranlassten Eigenkündigung, der einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses oder der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. (2) Ferner wird der Darlehensbetrag insgesamt fällig, wenn der Darlehensnehmer nach der erfolgreichen Absolvierung des Type Rating Lehrganges als Co-Pilot den Arbeitsvertrag vor Arbeitsaufnahme kündigt und/oder seine arbeitsvertragliche Tätigkeit als Co-Pilot nicht aufnimmt. Voraussetzung für die Rückzahlung/Fälligkeit des Darlehensbetrages ist, dass die Kündigung vor Arbeitsaufnahme und/oder die Nichtaufnahme der Arbeit nicht durch die Gesellschaft veranlasst wurde.
...".
Auf der Grundlage dieses Vertrages gewährte die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten eine Zahlung in Höhe von 20.950,00 Euro. Zugleich mit diesem Vertrag schlossen die Insolvenzschuldnerin und der Beklagte eine Ausbildungsvereinbarung zum Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot auf dem Flugzeugmuster Airbus A 320 Family (Blatt 40f der Akte). Diese Ausbildungsvereinbarung lautet auszugsweise wie folgt:
"Ausbildungsvereinbarung
zum Erwerb der Musterberechtigung als Co-Pilot au...