Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Verfallfristen. Insolvenzverwalter. Rückforderung von Sozialplanzahlungen
Leitsatz (redaktionell)
Die Rückforderung einer vom Insolvenzverwalter irrtümlich als Masseforderung ausgezahlten Abfindung aus einem vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen Sozialplans unterliegt den tariflichen Verfallfristen.
Normenkette
BGB § 812; InsO § 38; MTV Bekleidungsindustrie § 25
Verfahrensgang
ArbG Minden (Urteil vom 13.06.2007; Aktenzeichen 2 Ca 1696/06) |
Nachgehend
BAG (Entscheidung vom 14.10.2008; Aktenzeichen 6 AZN 616/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Minden vom 13.06.2007 – 2 Ca 1696/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung einer seiner Meinung nach irrtümlich als Masseforderung ausgezahlten Sozialplanabfindung.
Die Beklagte war Arbeitnehmerin der in L2 ansässigen Firma F1 B1 GmbH & Co. KG, über deren Vermögen am 01.11.2000 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Das am 01.10.1973 begonnene Arbeitsverhältnis endete am 30.06.2000.
Noch vor der Insolvenzantragstellung vereinbarten der Betriebsrat und die Insolvenzschuldnerin am 31.05.2000 einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. Die Auszahlung der Abfindung sollte in zwei Raten erfolgen. Im September 2000 erhielt die Beklagte im Rahmen der ersten Rate einen Teilbetrag von 2.667,12 DM. Nach Auffassung des Klägers handelt es sich dabei um eine Abschlagszahlung auf die Abfindung.
Die Höhe und die Auszahlung der zweiten Rate hing nach Darstellung des Klägers von dem aus der Abwicklung und dem Verkauf des Unternehmens erzielten Erlös ab. Da der Verkauf des Unternehmens scheiterte, konnte die zweite Rate nicht wie geplant zeitnah ausgezahlt werden, weil die dafür notwendige Insolvenzmasse nicht zur Verfügung stand.
Im August 2005 zahlte der Kläger an die Beklagte einen weitere Teilbetrag auf die Sozialplanabfindung in Höhe von 1.455,85 EUR aus. Er teilte ihr mit Schreiben vom 26.10.2005 mit, dass sich die Berechnung der einzelnen Abfindungsbeträge aus den vorliegenden Unterlagen der IG Metall ergäbe. Danach stünde der Beklagten eine Restzahlung in Höhe von 3.049,50 EUR zu. Aufgrund eines Programmfehlers seien an einzelne Arbeitnehmer teilweise falsche Beträge ausgezahlt worden. Diejenigen Arbeitnehmer, die zu viel erhalten hätten, seien aufgefordert worden, die zu Unrecht erhaltenen Beträge zurückzuzahlen, damit die Differenzen ausgeglichen werden könnten.
Wörtlich heißt es in dem Schreiben vom 26.10.2005:
„Laut den hier vorliegenden Berechnungen stand Ihnen ein Betrag in Höhe von 3.049,50 EUR als Restzahlung (s.o.) auf den abgeschlossenen Sozialplan zu.
Richtige Restzahlung: 3.049,50 EUR
Getätigter Überweisungsbetrag: 1.455,85 EUR
Differenz 1.593,65 EUR”
Da der Kläger den angekündigten Restbetrag trotz mehrfacher Aufforderungen an die Beklagte nicht auszahlte, erhob die jetzige Beklagte im Ursprungsprozess am 16.03.2006 Klage auf Auszahlung der 1.593,65 EUR. Im Rahmen dieses Prozesses hat der jetzige Kläger mit seiner Widerklage vom 14.12.2006 die jetzige Beklagte auf Rückzahlung der im August 2005 geleisteten 1.455,85 EUR in Anspruch mit der Begründung, dass es sich bei den Sozialplanansprüchen nur um Insolvenzforderungen gemäß § 38 InsO handele, so dass die Auszahlung ohne rechtlichen Grund erfolgt sei.
Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Bekleidungsindustrie streitlos Anwendung. Gemäß § 25 Nr. 1 des genannten MTV müssen Ansprüche bei bestehendem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Gemäß § 25 Nr. 2 MTV erlöschen die beiderseitigen Ansprüche bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn sie nicht binnen eines Monats nach Zugang der Endabrechnung schriftlich geltend gemacht worden sind.
Die Beklagte beruft sich auf diese Ausschlussfristen und macht außerdem Entreicherung geltend.
Hingegen ist der Kläger der Auffassung, die tariflichen Ausschlussfristen fänden keine Anwendung, da es vorliegend um eine einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO gehe. Wenn die Sozialplanabfindung irrtümlich als Masseverbindlichkeit behandelt und ausgezahlt worden sei, beruhe die Auszahlung auf einer vermeintlich angenommenen Verpflichtung aus der Insolvenzordnung, nicht aber aus dem Arbeitsverhältnis.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.06.2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Rückforderungsanspruch des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 BGB bestehe nicht, denn dieser habe nicht darlegen können, dass die Beklagte die an sie gezahlte Abfindung ohne rechtlichen Grund erhalten habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts...