BMF, Schreiben v. 20.07.1990, IV B 1 - S 2221 - 115/90/IV B 4 - S 2252 - 131/90, BStBl 1990 I S. 324
Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die steuerliche Behandlung von Beiträgen zu Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und zu Kapitalversicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchstaben cc und dd EStG) und von außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG folgendes:
1. Beitragszahlungsdauer
Eine laufende Beitragsleistung liegt vor, wenn die Beitragszahlungsdauer der Laufzeit des Versicherungsvertrages entspricht. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Dauer der Beitragsleistung kürzer ist als die Vertragsdauer. Die laufende Beitragsleistung darf jedoch wirtschaftlich nicht einem Einmalbeitrag gleichkommen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn nach dem Vertrag eine laufende Beitragsleistung für mindestens 5 Jahre ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vereinbart ist. Der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entspricht regelmäßig dem Datum der Ausstellung des Versicherungsscheins.
2. Rückdatierung des Versicherungsbeginns
Wird bei Abschluß eines Vertrages der technische Versicherungsbeginn zurückdatiert, handelt es sich bei den auf die Zeit der Rückdatierung entfallenden Beiträgen um Einmalbeiträge, auch wenn sie in Raten gezahlt werden, mit der Folge, daß sie weder als Sonderausgaben abgezogen werden können noch die darauf entfallenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerfrei sind. Beiträge, die für die Zeit ab Vertragsabschluß bei einer Mindestvertragsdauer von 12 Jahren mindestens 5 Jahre laufend gezahlt werden, können hingegen als Sonderausgaben abgezogen werden. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ist anwendbar. Die Mindestvertragsdauer berechnet sich vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses an; in den Fällen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchst. dd EStG beginnt sie frühestens im Zeitpunkt des nachfolgend steuerrechtlich zugelassenen technischen Versicherungsbeginns.
Eine Rückdatierung des technischen Versicherungsbeginns ist für den Sonderausgabenabzug der Beiträge und für die Steuerfreiheit der Zinsen nicht schädlich, wenn sie lediglich bis zum 1. Januar des Jahres des Vertragsabschlusses erfolgt und der Einmalbeitrag den auf die Zeit der Rückdatierung entfallenden anteiligen Jahresbeitrag nicht übersteigt.
3. Zuzahlungen zur Abkürzung der Vertragslaufzeit bei gleichbleibender Versicherungssumme
a) Eine nach Vertragsabschluß vereinbarte Zuzahlung zur Abkürzung der Vertragslaufzeit bei gleichbleibender Versicherungssumme ist eine Vertragsänderung (Novation). Sie kommt ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach einer Rückdatierung des technischen Versicherungsbeginns gegen Einmalbeitrag gleich, so daß die Zuzahlung weder als Sonderausgabe abgezogen werden kann noch die darauf entfallenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerfrei sind.
Für den Sonderausgabenabzug der laufenden Beiträge und die Steuerfreiheit der darauf entfallenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen sind die Verträge vor und nach der Änderung hinsichtlich der Mindestvertragsdauer von 12 Jahren getrennt zu beurteilen.
b) Ist die Möglichkeit der Zuzahlung von vornherein im Vertrag vereinbart worden, bestehen gegen einen Sonderausgabenabzug von Zuzahlungen zur Abkürzung der Vertragslaufzeit und die Steuerfreiheit der darauf entfallenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG dann keine Bedenken, wenn
aa) |
aa) die Zuzahlung frühestens nach Ablauf von 5 Jahren nach Vertragsabschluß erfolgt, |
bb) |
bb) die Restlaufzeit des Vertrags nach der letzten Zuzahlung mindestens 5 Jahre beträgt, |
cc) |
cc) die Zuzahlungen im Kalenderjahr nicht mehr als 10 %, während der vereinbarten Vertragslaufzeit insgesamt nicht mehr als 20 % der Versicherungssumme betragen und |
dd) |
dd) die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltende Mindestvertragsdauer nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b Doppelbuchstaben cc und dd EStG gewahrt wird. |
Für den Sonderausgabenabzug der laufenden Beiträge und die Steuerfreiheit der darauf entfallenden außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen muß die Mindestvertragsdauer von 12 Jahren eingehalten werden.
4. Anwendungsregelung
Die Regelungen der Nummern 1 und 3 sind
- für den Sonderausgabenabzug in allen noch nicht bestandskräftigen oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Fällen,
- im Hinblick auf § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG vorbehaltlich des § 52 Abs. 20 Satz 1 EStG bei allen laufenden Versicherungsverträgen
anzuwenden.
Die Regelungen der Nummer 2 sind bei allen nach dem 16. März 1990 abgeschlossenen Versicherungverträgen anzuwenden.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 6
Fundstellen
BStBl I, 1990, 324