Dipl.-Finanzwirt Karl-Heinz Günther
Leitsatz
Wiederkehrende Leistungen sind steuerbar, wenn Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen wird und der Empfänger sich gleichzeitig verpflichtet, seiner Schwester nach dem Tod des Übergebers eine Gleichstellungsrente zu zahlen.
Sachverhalt
Der Vater übergab mit Vertrag aus 1995 seinem Sohn sein Wohnhaus mit Werkstatt, Nebengebäuden und Hofraum. Er behielt sich ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht im Vertragsobjekt vor. Außerdem übernahm der Sohn den bereits an ihn verpachteten Gewerbebetrieb. Im Gegenzug verpflichtete er sich u.a., seiner Schwester eine lebenslange Rente zu zahlen, erstmals am auf den Tod des Übergebers folgenden Monatsersten. Beide Geschwister verzichteten gegenüber ihrem Vater jeweils für sich und die jeweiligen Abkömmlinge auf ihre Pflichtteilsansprüche. Streitig war nun die Besteuerung der ab 2001 gezahlten wiederkehrenden Leistungen bei der Schwester. Während zunächst der Ansatz mit dem Ertragsanteil beantragt wurde, das Finanzamt dagegen die volle Versteuerung als dauernde Last durchführte, machte der Steuerpflichtige im Einspruchsverfahren geltend, es handele sich um nicht steuerbare Unterhaltsleistungen im Zusammenhang mit einem Pflichtteilsverzicht.
Entscheidung
Das FG entschied, dass den Rentenzahlungen kein Unterhaltscharakter zukam, da dem Übertragungsvertrag nicht die Gewährung von Unterhalt zugrunde lag, sondern die Abgeltung des Pflichtteilsverzichts und damit die Gleichstellung der Geschwister. Hierfür sprach im Streitfall auch der Umstand, dass die wiederkehrenden Leistungen nicht an eine veränderte Leistungsfähigkeit des Zahlungsverpflichteten oder die Bedürftigkeit der Zahlungsempfängerin anzupassen waren. Die wiederkehrenden Leistungen waren bei der Empfängerin jedoch nicht in vollem Umfang, sondern nur in Höhe des Ertragsanteils zu versteuern. Denn es handelte sich nicht um eine Vermögensübergabe im Wege der vorweggenommenen Erbfolge gegen Versorgungsleistungen, da nicht die Versorgung der Schwester im Vordergrund stand, sondern der finanzielle Ausgleich für die vollständige Aufgabe ihrer Beteiligung am Nachlass. In Fällen der Ausgleichszahlungen an Geschwister ist jedoch von der allgemeinen Vermutung auszugehen, dass Geschwister in erster Linie nicht versorgt, sondern gleichgestellt werden sollen. Die an die Schwester geleisteten Zahlungen enthielten daher einen steuerpflichtigen Zinsanteil, der - da es sich um eine Leibrente handelte - mit dem Ertragsanteil nach § 22 EStG zu versteuern war.
Hinweis
Die Auffassung des FG ist vor dem Hintergrund der aktuellen BFH-Entscheidung v. 9.2.2010 (VIII R 43/06) von Interesse, wonach wiederkehrende Leistungen, die als Gegenleistung für einen gegenüber Eltern erklärten Pflichtteilsverzicht gezahlt werden, keinen Zinsanteil enthalten, weil den Leistungen kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung zugrunde liegt. Gleichwohl kam das FG zu einer anderen Entscheidung, da im Streitfall die Zahlungen nicht an der Bedürftigkeit der Empfängerin ausgerichtet, sondern entsprechend dem Gleichstellungsgedanken ein in einer Summe bereits festgelegter Anspruch lediglich verrentet wurde. Insoweit hatte die Leibrentenvereinbarung nach Auffassung des FG darlehensähnlichen Charakter, so dass die wiederkehrenden Leistungen sowohl einen Kapital- als auch einen Zinsanteil enthielten.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 15.07.2010, 15 K 1825/07