Leitsatz
Leistet der Arbeitgeber Zahlungen für ein im Haus bzw. in der Wohnung des Arbeitnehmers gelegenes Büro, das der Arbeitnehmer für die Erbringung seiner Arbeitsleistung nutzt, so ist die Unterscheidung zwischen Arbeitslohn einerseits und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung andererseits danach vorzunehmen, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Büros erfolgt.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG , § 9 Abs. 5 EStG , § 19 EStG , § 21 Abs. 1 und 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger, ein Förster, ist Dienstinhaber einer Revierförsterei. Nachdem das ursprüngliche Förstereigehöft aufgelöst worden war, hatte sich sein Arbeitgeber vergeblich darum bemüht, dem Kläger ein ihm zustehendes Zimmer zur Erledigung der Dienstgeschäfte zu beschaffen. Letztlich vermietete der Kläger seinem Arbeitgeber einen Kellerraum seines Hauses als Dienstzimmer zu einem Preis von 90 DM (einschließlich einer Pauschale für Schönheitsreparaturen). Der Mietzins richtete sich nach den einschlägigen Dienstwohnungsvorschriften. Das FA ließ die Aufwendungen des Klägers nur i.H.v. 2.400 DM zum Werbungskostenabzug zu.
Das FG entschied, dass die für den Büroraum geltend gemachten Aufwendungen (abzüglich der monatlichen Zahlungen) in vollem Umfang bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit des Klägers zu berücksichtigen seien.
Entscheidung
Die Revision des FA blieb erfolglos. Der BFH wies – entsprechend den o.a. Praxis-Hinweisen – den steuerlichen Verlust aus der entgeltlichen Überlassung des Büroraums jedoch den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu. Entscheidend sei, dass die Zahlung ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach eine Gegenleistung für die Überlassung bzw. die Nutzung des Raums gewesen sei. Das Dienstzimmer habe sich praktisch als externes Büro (u.a. mit Betretungsrecht und Publikumsverkehr) des Arbeitgebers erwiesen.
Zweifel an einer Überschusserzielungsabsicht im Hinblick auf den geringen Mietzins bestünden nicht, da der Verlust aus Vermietung und Verpachtung (auch) durch die Haupttätigkeit des Klägers veranlasst gewesen sei. Das Arbeitgeberbüro falle auch nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG.
Hinweis
1. Erhält ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber Zahlungen für einen in seiner Wohnung gelegenen Arbeitsraum, den er für seine Dienstgeschäfte nutzt, so kann es sich um (zusätzlichen) Arbeitslohn oder um Nutzungsentgelt i.S.d. § 21 Abs. 1 EStG (Vermietung und Verpachtung) handeln. Die vorliegende Grundsatzentscheidung zeigt auf, wie diese Abgrenzung vorzunehmen ist. Im Einzelnen ist zunächst nochmals hervorzuheben, wann Arbeitslohn bzw. wann ein Nutzungsentgelt bei Vermietung und Verpachtung vorliegt.
2. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne u.a. sowie andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Ein Vorteil wird "für" eine solche Beschäftigung gewährt, wenn er durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst ist (vgl. etwa BFH, Urteil vom 26.6.2003, VI R 112/98, BFH-PR 2003, 440). Hieran fehlt es, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Vorteile aufgrund einer anderen, neben dem Dienstverhältnis gesondert bestehenden Rechtsbeziehung (z.B. einem Mietverhältnis oder mietähnlichen Verhältnis) zuwendet. Gerade auf diesen Gesichtspunkt hat der BFH in jüngster Zeit mehrfach hingewiesen (z.B. BFH, Urteil vom 7.6.2002, VI R 145/99, BFH-PR 2002, 416).
3. Bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ist bedeutsam, dass die Begriffe Vermietung und Verpachtung im einkommensteuerrechtlichen Sinn umfassender sind als die vergleichbaren bürgerlich-rechtlichen Begriffe. Ob Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (zu denen auch solche aus der Vermietung von Gebäudeteilen gehören) vorliegen, richtet sich nicht nach der äußeren Form und Bezeichnung der von den Beteiligten geschlossenen Verträge, sondern nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt. Eine Zahlung, die sich solchermaßen als Gegenleistung für die Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung des überlassenen Gegenstands (Raums) darstellt, ist daher bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu erfassen.
4. Nach Auffassung des BFH richtet sich die steuerliche Zuordnung einer Zahlung des Arbeitgebers danach, in wessen vorrangigem Interesse die Nutzung des Raums erfolgt. Wie bereits im BFH-Urteil vom 20.3.2003, VI R 147/00, BFH-PR 2003, 268 angedeutet, ist die Intensität der betrieblichen Bedürfnisse des Arbeitgebers entscheidend, um Zahlungen aus dem Geltungsbereich des § 19 EStG zu lösen.
Dient eine Raumnutzung in erster Linie den Interessen des Arbeitnehmers, so ist davon auszugehen, dass Zahlungen des Arbeitgebers (im weitesten Sinn) als Gegenleistung für das Zur-Verfügung-Stellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erfolgen; die Einnahmen sind folglich Arbeitslohn. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers über einen Arbeitsplatz verfügt und die Nutzung des häusli...