Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Eine sogenannte Praxisausfallversicherung, durch die im Fall einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Steuerpflichtigen die fortlaufenden Kosten seines Betriebs ersetzt werden, gehört dessen Lebensführungsbereich an. Die Beiträge zu dieser Versicherung stellen daher keine Betriebsausgaben dar, die Versicherungsleistung ist nicht steuerbar.
2. Wird neben dem privaten Risiko der Erkrankung zugleich das betriebliche Risiko der Quarantäne, also der ordnungsbehördlich verfügten Schließung der Praxis, versichert, so steht § 12 Nr. 1 EStG dem Abzug der hierauf entfallenden Versicherungsbeiträge als Betriebsausgaben nicht entgegen.
Normenkette
§ 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Eine Ärztin hatte eine Praxisausfallversicherung abgeschlossen. Versicherte Risiken waren Krankheit, Unfall und die behördliche Schließung der Praxis. Sie hatte die Versicherungsprämien in der Vergangenheit in vollem Umfang als Betriebsausgaben abgezogen. Als sie nach einem Sturz auf dem Weg zur Bank arbeitsunfähig geworden war, ersetzte die Versicherung ihren Schaden in Höhe der fortlaufenden Betriebsausgaben.
Das FA und das FG (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 20.12.2006, 3 K 384/05, Haufe-Index 1702759, EFG 2007, 995) beurteilten die Versicherungsleistung als steuerpflichtige Betriebseinnahme.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die Versicherungsleistung sei nicht betrieblich veranlasst, weil sie für ein privates Risiko (Krankheit, Unfall) geleistet worden sei. Die Kürzung der Betriebseinnahmen sei jedoch mit den zu Unrecht als Betriebsausgaben abgezogenen Versicherungsprämien zu saldieren. Das FG müsse die Versicherungsprämien für das private Risiko (Krankheit, Unfall) und für das betriebliche Risiko (behördliche Schließung der Praxis) entsprechend aufteilen.
Hinweis
1. Versicherungen können in zweierlei Hinsicht von steuerrechtlicher Bedeutung sein. Für die Versicherungsprämien kommt ein Abzug als Betriebsausgaben in Betracht, wenn die Versicherung betrieblich veranlasst ist. In diesem Fall können Leistungen einer Versicherung steuerpflichtige Betriebseinnahmen sein. Die Leistungen können aber auch nicht steuerbare Zuflüsse im Privatvermögen sein, nämlich dann, wenn die Versicherung nicht betrieblich veranlasst ist. Bei privater Veranlassung sind dementsprechend die Versicherungsprämien nicht als Betriebsausgaben abziehbar.
In jüngerer Zeit bieten Versicherer einen neuen Versicherungstyp an, die Betriebsausfall- oder Praxisausfallversicherung. Die Versicherung ersetzt in bestimmten Fällen, in denen der Betrieb nicht weiter wirtschaften kann, die laufenden Betriebsausgaben. Als Versicherungsfall kann vereinbart werden die Arbeitsunfähigkeit des Inhabers aufgrund von Krankheit oder Unfall, die gesundheitsbehördlich verfügte Schließung des Betriebs (Quarantäne) oder aber auch der Stillstand des Betriebs aufgrund von Feuer-, Sturm- oder Wasserschäden. Die Ausfallversicherung wird gebündelt für alle dieser Risiken oder aber für einzelne von ihnen, jeweils zu unterschiedlichen Prämien, angeboten.
2. Ob Ansprüche und Verpflichtungen aus einem Versicherungsvertrag zum Betriebsvermögen eines Unternehmens gehören, beurteilt sich nach der Art des versicherten Risikos. Bezieht sich die Versicherung auf ein betriebliches Risiko, führt sie zu Betriebsausgaben und Betriebseinnahmen; ist dagegen ein außerbetriebliches Risiko versichert, können Ausgaben allenfalls als Sonderausgaben i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG berücksichtigt werden, während die Einnahmen (die Versicherungsleistungen) nicht steuerbar sind.
3. a) Gefahren, wie etwa das allgemeine Lebensrisiko, zu erkranken oder Opfer eines Unfalls zu werden, stellen grundsätzlich private Risiken dar. Hingegen sind Versicherungen, die Schutz gegen spezielle berufs- oder betriebsspezifische Gefahren (Berufskrankheiten, Arbeitsunfälle) gewähren, der betrieblichen/beruflichen Sphäre zuzurechnen.
b) Gefahren, die darin bestehen, dass betrieblich genutzte Gegenstände durch Unfall, Brand, Sturm, Wassereinbruch oder ähnliche Ereignisse zerstört oder beschädigt werden, stellen betriebliche Risiken dar. Ansprüche und Verpflichtungen aus den entsprechenden Sachversicherungen gehören zum Betriebsvermögen
4. Für die Einordnung eines Risikos als betrieblich oder privat ist nicht entscheidend, welche Aufwendungen oder Schäden bei Eintritt des Versicherungsfalls vom Versicherer zu ersetzen sind.
5. Sind in einer einheitlichen Praxisausfallversicherung sowohl private Risiken (Krankheit, Unfall) als auch betriebliche Risiken (Quarantäne, Wasserschäden etc.) versichert, so sind die Versicherungsprämien entsprechend aufzuteilen. Ob die Leistungen aus einer solchen Versicherung steuerpflichtig oder nicht steuerbar sind, hängt davon ab, aufgrund welches konkreten Schadensereignisses der Steuerpflichtige die Versicherung im Einzelfall in Anspruch nimmt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.05.2009 – VIII R 6/07