Leitsatz
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein Unternehmer, der Vertriebsagenten ohne besonders berechnetes Entgelt zum Einsatz befördert und anlässlich ihrer Auswärtstätigkeit unterbringt und verpflegt, an diese steuerpflichtige Leistungen erbringt.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG , Art. 2 Nr. 1 6. EG-RL , Art. 6 Abs. 2 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Antragsteller betrieb einen Pressevertrieb und eine Pension. Im Rahmen des Pressevertriebs beschäftigte er auf Provisionsbasis Vertriebsagenten, die als selbstständige Handelsvertreter behandelt wurden. Die Vertriebsagenten waren in Kolonnen zusammengeschlossen und wurden in der Pension des Antragstellers oder in von ihm angemieteten Pensionen untergebracht.
Den in Kolonnen zusammengeschlossenen Vertriebsagenten stellte der Antragsteller je sog. Kolonnenführer ein Kraftfahrzeug zur Verfügung. Der Antragsteller übernahm auch die Kosten für die Verpflegung der Vertriebsagenten.
Das Finanzamt sah in der Gestellung von Unterkunft, Transport und Verpflegung einen steuerpflichtigen Umsatz des Antragstellers an die Vertriebsagenten im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes mit Baraufgabe.
Entscheidung
Unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 16.10.1997 (Rs. C – 258/95 – Fillibeck) hat der BFH es für ernstlich zweifelhaft angesehen, die abgegebenen Leistungen in Form des Transports, der Unterbringung und der Verpflegung als konkret mit der Arbeitsleistung verknüpft zu bewerten. Zwar habe das Urteil des EuGH zur Sammelbeförderung (EuGH, Urteil vom 16.10.1997) lediglich Aussagen zum Leistungsaustausch eines Sammeltransports für Arbeitnehmer beinhaltet, Entsprechendes dürfte jedoch auch für selbstständige Mitarbeiter gelten.
Darüber hinaus hatte der BFH Zweifel an der Feststellung, ob es sich bei den Vertriebsagenten um Arbeitnehmer/Personal handelt; bislang seien sie als selbstständige Handelsvertreter behandelt worden.
Hinweis
Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer/Personal kann dadurch geprägt sein, dass der Arbeitgeber seinem Personal entgeltlich oder unentgeltlich eine Leistung zuwendet. Die unentgeltliche Leistungszuwendung ist seit 1.1.1997 in § 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG und § 3 Abs. 9a Nrn. 1 und 2 UStG geregelt. Die Grundsätze des EuGH verlangen für einen Leistungsaustausch eine konkrete Leistungsbeziehung zwischen Zuwendung des Arbeitgebers und (anteiliger) Arbeitsleistung des Arbeitnehmers/Personals.
Wird dem Arbeitnehmer/Personal ein Fahrzeug im Rahmen des Dienstvertrags zur Verfügung gestellt, nehmen Verwaltung und Rechtsprechung grundsätzlich einen Leistungsaustausch an. Die anteilige Arbeitsleistung ist Entgelt für die (private) Nutzungsmöglichkeit des Pkw. Hieraus folgt die Unanwendbarkeit des § 15 Abs. 1b UStG für Anschaffung/Erwerb des Fahrzeugs. Eine Beförderung des Arbeitnehmers/Personals durch den Arbeitgeber erfolgt dagegen grundsätzlich ohne konkrete Verknüpfung mit der Arbeitsleistung.
Ist ein Leistungsaustausch abzulehnen, hängt die steuerliche Erfassung der unentgeltlichen Wertabgabe maßgeblich davon ab, ob unternehmerische Gründe für die Wertabgabe verantwortlich sind. Bei einem Sammeltransport von Arbeitnehmern wird die Besteuerung abgelehnt, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf besondere Umstände, wie z.B. die Schwierigkeit, andere geeignete Verkehrsmittel benutzen zu können, es gebieten, dass die Beförderung der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber übernommen wird.
Zwar hat der BFH in seinem Beschluss es auch als ernstlich zweifelhaft bezeichnet, ob die bislang als selbstständig behandelten Handelsvertreter eventuell als Arbeitnehmer/Personal anzusehen seien. Er will jedoch die Grundsätze zur Abgrenzung des Leistungsaustausches von der unentgeltlichen Wertabgabe und der unternehmerisch veranlassten unentgeltlichen Wertabgabe von der aus privaten Gründen erfolgten Abgabe auf freie/selbstständige Mitarbeiter entsprechend anwenden.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 21.6.2001, V B 32/01