LfSt Bayern v. 10.10.2016, S 2284.1.1-18/1 St 32
1. Adressatenkreis
Diese Verfügung richtet sich an die Bearbeiter in den Veranlagungs- und Rechtsbehelfsstellen der Finanzämter im Bereich des Bayerischen Landesamts für Steuern.
2. Allgemeines
Die Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie), isolierten Lesestörung oder isolierten Rechtschreibstörung können als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abgezogen werden, wenn die medizinische Notwendigkeit (Indikation) der Behandlung, für die die jeweiligen Aufwendungen entstanden sind, nachgewiesen wird. Lediglich der Nachweis über das Vorliegen der Krankheit (Diagnose), ohne einen Nachweis der medizinischen Indikation der gewählten Behandlungsmethode, ist für den Abzug der Behandlungsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht ausreichend.
Krankheitskosten erwachsen einem Steuerpflichtigen – ohne Rücksicht auf die Art und Ursache der Erkrankung – aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig und können als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abgezogen werden.
Für die Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und / oder Rechtschreibstörung, kommt ein Abzug als außergewöhnliche Belastung in Betracht, wenn es sich bei der Lese- und / oder Rechtschreibstörung um eine Krankheit handelt und die Behandlung nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt ist und vorgenommen wird, um die Krankheit zu heilen oder zu lindern (BFH-Urteil vom 18.6.1997, BStBl 1997 II S. 805).
Eine Lese- und / oder Rechtschreibstörung wird als Krankheit bezeichnet, wenn eine Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lese- und / oder Rechtschreibfähigkeit vorliegt, die nicht allein auf das Entwicklungsalter, eine unterdurchschnittliche Intelligenz, eine unangemessene Beschulung oder als Folge eines Mangels an der Gelegenheit zu lernen zurückzuführen ist (ICD-10 F 81.-; Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme).
Liegt eine Lese- und / oder Rechtschreibschwäche vor, die nicht auf eine Krankheit zurückzuführen ist, können die damit zusammenhängenden Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.
3. Nachweis der medizinischen Notwendigkeit (Indikation) der Behandlung
Nach früherer BFH Rechtsprechung waren Aufwendungen für die Behandlung eines an Legasthenie leidenden Kindes grundsätzlich nur als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn vor Beginn der betreffenden Maßnahme durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) deren medizinische Indikation bescheinigt worden ist (BFH-Urteil vom 7.6.2000, BStBl 2001 II S. 94). An diesem formalisierten Nachweisverlangen hält der BFH seit dem Urteil vom 11.11.2010, BStBl 2011 II S. 969 nicht mehr fest. Ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes (§ 275 SGB V) kann nur noch in den abschließend geregelten Fällen des § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStDV gefordert werden (siehe hierzu Tz. 3.1. – 3.3.).
In allen anderen Fällen ist es ausreichend, dass die medizinische Notwendigkeit auf andere Art und Weise – i. d. R. durch eine Bestätigung eines Arztes – nachgewiesen wird. Werden Aufwendungen für die Behandlung einer Lese- und / oder Rechtschreibstörung als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht ist zu beachten, dass nicht nur das Vorliegen einer Krankheit zu bestätigen ist, sondern auch, dass die medizinische Indikation der Behandlung – für die die geltend gemachten Aufwendungen entstanden sind – bestätigt wird.
Ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes (§ 275 SGB V) ist lediglich in folgenden Fällen notwendig:
3.1. Psychotherapeutische Behandlung
Die medizinische Indikation einer psychotherapeutischen Behandlung ist nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b EStDV durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) erforderlich. Eine Psychotherapie ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist (§ 1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG). Eine psychotherapeutische Behandlung kann nur von einem Psychotherapeuten durchgeführt werden.
3.2. Auswärtige Unterbringung
Erfolgt die Behandlung der Lese- und / oder Rechtschreibstörung im Rahmen einer auswärtigen Unterbringung (z.B. Internat) ist ebenfalls ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) für den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung notwendig (§ 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c EStDV).
3.3. Wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode
Wird die Behandlung durch eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlu...