Regelmäßige Audits an den Standorten ihrer Zulieferer durchzuführen, um die Einhaltung der Sozial- und Umweltstandards des Unternehmens zu überprüfen, ist eine wichtige Voraussetzung, um die Lage vor Ort zu beurteilen. Entscheidend ist jedoch, mit wem sich ein Unternehmen dort unterhält, beispielsweise mit dem Management des Zulieferers, mit Führungskräften oder mit Arbeiterinnen und Arbeitern. Zum einen lohnt es sich, auch mit Stakeholdern vor Ort zu sprechen, mit Anwohnerinnen und Anwohnern, Arbeitsgemeinschaften oder lokalen NGOs. Zum anderen kann es helfen, Expertinnen und Experten für Menschenrechte und Umwelttechnik in die Lieferländer zu schicken.
Stefanie Lorenzen, Professorin für Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, verweist auf § 4 Abs. 4 des LkSG: "Das Unternehmen hat bei der Errichtung und Umsetzung seines Risikomanagementsystems die Interessen seiner Beschäftigten, der Beschäftigten innerhalb seiner Lieferketten und derjenigen, die in sonstiger Weise durch das wirtschaftliche Handeln des Unternehmens oder durch das wirtschaftliche Handeln eines Unternehmens in seinen Lieferketten in einer geschützten Rechtsposition unmittelbar betroffen sein können, angemessen zu berücksichtigen", heißt es da. Das könne nicht nur am Schreibtisch passieren, meint die Rechtsexpertin: "Unternehmen brauchen betroffene Personen oder deren Interessenvertretung wie etwa eine Gewerkschaft, die den Sorgfaltsprozess vor Ort mit steuern und mitbetreuen." Das gelte sowohl für die generelle Steuerung der Sorgfaltspflichten als auch für Abhilfemaßnahmen in einem möglichen Schadensfall. Die Beteiligung und Konsultation von örtlichen Stakeholdern sei eine Alternative zu herkömmlichen Audits. So stelle man eher sicher, dass wirklich etwas passiert und die Situation sich verbessert.
Laut LkSG müssen Unternehmen auch ein Beschwerdemanagement etablieren. Es braucht eine Anlaufstelle für Betroffene, insbesondere für Beschäftigte und die lokale Bevölkerung. Auch hier ist das Wie entscheidend, meint Alex Graf. "Wichtig ist, dass Betroffenen die Anlaufstellen bekannt sind – und dass diese unter anderem vertrauenswürdig und anonym zugänglich sind".
Ein Instrument, um Rechteinhaber im Sorgfaltsprozess zu beteiligen, sind sogenannte "Human Rights Impact Assessments". Die Auditoren sind dabei ein bis zwei Wochen vor Ort, schauen sich die Auswirkungen in der Umgebung an und führen Gespräche mit Beschäftigten außerhalb der Arbeit. "Mehr und mehr Audits beinhalten formell, dass sie Rechteinhaber wie die Beschäftigten interviewen. Aber das ist zu oft oberflächlich oder die Personen werden vom Management ausgesucht", sagt Johannes Blankenbach. Human Rights Impact Assessments sind meist fundierter und deutlich teurer als herkömmliche Zertifizierungen. Doch Unternehmen können dadurch unter Umständen teure Folgekosten durch Schadensfälle reduzieren. Kostspielige Tools oder Auditsysteme erachtet Johannes Blankenbach aber nicht als zwingend notwendig. Wichtiger sei es, laufend im Gespräch zu bleiben – mit Zulieferern und vor allem mit Betroffenen vor Ort. So könne man Berührungsängste abbauen und bei Bedarf in die Tiefe gehen. "Wenn etwas zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es das oft auch. Da hilft manchmal auch eine Portion Bauchgefühl und gesunder Menschenverstand."