Prof. Dr. Wanja Wellbrock
Fordern verpflichtete Unternehmen ihre Zulieferer auf, Vereinbarungen bzgl. Präventionsmaßnahmen zu unterzeichnen, sollten diese stets sicherstellen, dass diese realistisch und ausgewogen sind. Zulieferer sollten vorsichtig sein, wenn sie Zusicherungen geben, über die sie keine Kenntnisse oder Kontrolle haben. Sie sollten hierbei auch bedenken, dass sie oftmals selbst nur begrenzte Informationen über die eigene tiefere Lieferkette haben.
Die Zusicherung der Einhaltung bestimmter Standards könnte zu vertraglichen Ansprüchen gegenüber den Zulieferern führen, sodass sie diesbezüglich besonders vorsichtig sein sollten. Das LkSG etabliert keine eigenständigen Haftungsnormen, aber eine zivilrechtliche Haftung ist trotzdem möglich. Zulieferer sollten genau überprüfen, zu welchen Maßnahmen sie verpflichtet werden sollen und gegebenenfalls rechtlichen Rat hinzuziehen.
Verpflichtete Unternehmen sollten vertragliche Zusicherungen der Zulieferer zudem stets mit Kontrollmaßnahmen, Schulungen und Weiterbildungen begleiten. Die hierfür notwendigen Kosten sind ebenfalls zu berücksichtigen, um Konflikte in der Lieferkette zu vermeiden. Für viele kleine oder mittlere Zulieferer kann die Finanzierung entsprechender Maßnahmen schwierig sein, insbesondere wenn die Abnahmepreise unverändert bleiben. Dies gilt insbesondere für Zulieferer in der unteren Lieferkette, die sich durch eine schwächere Verhandlungsposition auszeichnen. Herausforderungen können hierbei beispielsweise bei kostenintensiven Arbeitsschutz- oder Umweltschutzmaßnahmen bzw. angemessene Löhne entstehen. Nach dem LkSG verpflichtete Unternehmen sollten daher stets auch ihr grundlegendes Beschaffungsverhalten und ihre Einkaufspraktiken hinterfragen und überprüfen, inwieweit diese den Zulieferern überhaupt die Möglichkeit geben, entsprechende Risiken in ihre Entscheidungsprozesse zu integrieren.
Exemplarische Fragen zur Überprüfung des eigenen Beschaffungsverhaltens und der eigenen Einkaufspraktiken
- Werden Kosten für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorschriften berücksichtigt (beispielsweise durch Festlegung in Preisverhandlungen)?
- Werden mögliche Kostensteigerungen aufgrund von Mindestlohnerhöhungen, steigenden Lebenshaltungskosten oder Inflation berücksichtigt (beispielsweise durch eine Preisgleitklausel)?
- Sind angemessene Löhne in den Kosten enthalten?
- Werden Kosten für Maßnahmen wie Audits oder Schulungen, die im Interesse des verpflichteten Unternehmens liegen, auch von diesem finanziert?
- Gibt es finanzielle Anreize für Zulieferer, die eine kontinuierliche Verbesserung bei der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorschriften fördern (beispielsweise durch Garantien für weitere Aufträge, längere Vertragslaufzeiten oder höhere Auftragsmengen)?
- Sind die Vertragsbedingungen fair gestaltet, um die Zulieferer nicht übermäßig zu belasten (beispielsweise durch unfaire Zahlungsziele, Zahlungen, die nicht in direktem Zusammenhang mit dem Verkauf der Produkte des Zulieferers stehen oder Bedingungen für Änderungen und Stornierungen von Aufträgen)?
- Sind Lieferzeiten und Änderungen von Lieferfristen und Produktspezifikationen so gestaltet, dass Zulieferer diese einhalten können, ohne gegen Rechtsvorschriften zu verstoßen (beispielsweise durch das Recht des Zulieferers, Aufträge abzulehnen oder Unteraufträge zu vergeben, verbunden mit einem Widerspruchsrecht des Unternehmens aus Gründen der Menschenrechte)?
- Welche Anreize werden durch Vertragslaufzeiten gesetzt (kurze Vertragslaufzeiten erschweren es Zulieferern beispielsweise oftmals, in Arbeitsschutz- oder Umweltschutzmaßnahmen zu investieren)?
- Welche Auswirkungen haben Kündigungsrechte? Werden negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt, die sich aus einer Kündigung ergeben können, erkannt und angesprochen?
Bei der Umsetzung von anlassbezogenen Präventionsmaßnahmen bei mittelbaren Zulieferern müssen verpflichtete Unternehmen oftmals auch mit ihren direkten Zulieferern und anderen Marktakteuren zusammenarbeiten. Wenn Zulieferer hierbei Informationen über mittelbare Zulieferer, die Rückschlüsse auf ihre Identität zulassen, nicht preisgeben möchten oder können, besteht auch die Möglichkeit, dass die verpflichteten Unternehmen die unmittelbaren Zulieferer direkt bei eigenen Präventionsmaßnahmen finanziell unterstützen.
Verpflichtete Unternehmen sollten zudem sicherstellen, dass sie Präventionsmaßnahmen angemessen ankündigen und den Zulieferern genügend Zeit zur Anpassung geben. Es reicht nicht aus, nur auf die gesetzlichen Anforderungen hinzuweisen. Ergreift der Zulieferer bereits eigene Präventionsmaßnahmen gegenüber seinen vorgelagerten Zulieferern, sollte das verpflichtete Unternehmen prüfen, ob diese das Risiko bereits vollständig mindern oder nicht. Falls dies nicht der Fall ist, ist durch das verpflichtete Unternehmen zu überprüfen, ob es angemessen ist, weitere eigene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.