Leitsatz
Die Haftungsinanspruchnahme eines Geschäftsführers einer GmbH für anfechtbare Handlungen entfällt nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens insoweit nicht, als der Zeitpunkt der Pflichtverletzung vor dem Anfechtungszeitraum liegt. Es ist nicht auf die Fälligkeit oder auf den Zahlungszeitpunkt eines nach Außenprüfung ergehenden Steuerbescheides, der der Insolvenzanfechtung unterliegen würde, abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Pflichtwidrigkeit.
Sachverhalt
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung wurde festgestellt, dass durch die GmbH die bei Auszahlung von pauschalem Auslagenersatz für Reisekosten entstandene Lohnsteuer nicht abgeführt worden war und sich bei den angemeldeten Lohnsteuer-Abzugsbeträgen aufgrund von Rechen- und Übertragungsfehlern Differenzen ergaben. Das Finanzamt setzte daraufhin die Lohnsteuer zuzüglich Nebenleistungen für den Prüfungszeitraum neu fest und nahm die GmbH mit Haftungsbescheid vom 17. Dezember 2003 mit spätester Fälligkeit 20. Januar 2004 in Anspruch. Am 15. Dezember 2003 stellte die GmbH, vertreten durch den Kläger als Geschäftsführer, Antrag auf Insolvenz. Das Insolvenzverfahren über die GmbH wurde am 3. März 2004 eröffnet. Das Finanzamt nahm sodann den Kläger für die Lohnsteuer in Haftung. Der Einspruch des Klägers hatte nur teilweise Erfolg.
Entscheidung
Die zulässige Klage war unbegründet. Der erkennende Senat war der Ansicht, dass das Finanzamt den Kläger zu Recht in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH für nicht abgeführte Lohnsteuer in Anspruch genommen hat. Der Kläger hafte soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden seien (§§ 191, 69, 34 AO). In der Nichtanmeldung der Lohnsteuer auf den pauschalen Auslagenersatz in jedem Lohnsteuer-Zeitraum und infolgedessen auch der unterbliebenen Abführung der Steuern zu diesen Zeitpunkten liege die Pflichtwidrigkeit der Geschäftsführerhandlung. Für die Haftung könne nicht auf die Fälligkeit bzw. auf den Zahlungszeitpunkt eines nach Außenprüfung ergehenden Steuerbescheides - der dann der Insolvenzanfechtung unterliege - abgestellt werden. Es müsse der Zeitpunkt der Pflichtwidrigkeit betrachtet werden.
Hinweis
Die Frage, ob eine mögliche Insolvenzanfechtung die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung des Geschäftsführers und dem Haftungsschaden des Finanzamts entfallen lässt, wird in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich behandelt (vgl. Claßen, EFG 2007, 1303 m. w. N.). Der BFH hat inzwischen entschieden, dass die Kausalität zwischen einer Pflichtverletzung infolge fällig gewordener und pflichtwidrig nicht abgeführter Steuerbeträge und des hieraus entstandenen Vermögensschaden beim Fiskus nicht durch nachträglich eingetretene Umstände oder durch die Annahme eines hypothetischen Kausalverlaufs beseitigt werde. Die Funktion und der Schutzzweck des normierten Haftungstatbestands schlössen die Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe aus (vgl. BFH, Urteil v. 5.6.2007, VIII R 65/05). Liegt die Pflichtverletzung - wie im Besprechungsfall - außerhalb des drei Wochen umfassenden Zeitraums der gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung zur Masseerhaltung, tritt ein Widerstreit mit der Verpflichtung zur Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer ohnehin nicht auf (§ 64 GmbHG, § 41a EStG). Die Revision wurde durch den erkennenden Senat im Besprechungsfall nicht zugelassen. Allerdings wurde Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, über die - Stand September 2007 - bisher noch nicht entschieden wurde. Das Beschwerdeverfahren ist beim BFH unter dem Az. VII B 83/07 anhängig.
Link zur Entscheidung
FG des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22.02.2007, 1 K 1745/05