Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst die Einkommensteuer, die durch Geschenke i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG entsteht, wenn und soweit der Empfänger dieser Geschenke dadurch Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 13 bis 24 EStG erzielt.
2. § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG bezieht sich auf alle Geschenke i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG unabhängig davon, ob ihr Wert 35 EUR überschreitet.
Normenkette
§ 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 7 EStG
Sachverhalt
K hatte ihren Kunden und Geschäftsfreunden in den Jahren 2007 bis 2009 Geschenke zukommen lassen (1.741 EUR in 2007; 6.396 EUR in 2008; 1.192 EUR in 2009). Dazu hatte K ihre Option gem. § 37b EStG ausgeübt. Das FA erließ dementsprechend für diese Jahre einen Nachforderungsbescheid über pauschale Lohnsteuer. K machte dagegen geltend, dass Zuwendungen und Geschenke im Wert zwischen 10 EUR und 35 EUR nicht gem. § 37b EStG zu versteuern seien. Das FG hatte die Klage abgewiesen, die Pauschalversteuerung sei nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Zuwendungen zu einer Einkommensteuerpflicht bei den Empfängern führten (FG Hamburg, Urteil vom 20.9.2011, 2 K 41/11, Haufe-Index 2802493, EFG 2012, 82).
Entscheidung
Der BFH hob aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Entsprechend der zu § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG entwickelten Rechtsgrundsätze sind nun entsprechende Feststellungen dazu zu treffen, inwieweit die Zuwendungen und Geschenke jeweils bei Ks Kunden und Geschäftsfreunden einkommensteuerbar waren.
Hinweis
Das Besprechungsurteil befasst sich mit der zweiten Tatbestandsalternative der Einkommensteuerpauschalierung, nämlich mit § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Danach kann die Einkommensteuer für Geschenke i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG, die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erhoben werden.
1.§ 37b EStG begründet keine weitere eigenständige Einkunftsart und keinen sonstigen originären (Einkommen-)Steuertatbestand. Dies gilt auch für die in § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG geregelte Steuerpauschalierung bei Geschenken i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. Auch insoweit stellt § 37b EStG lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer zur Wahl. Wie in der Grundentscheidung (VI R 57/11) ist auch hier für den BFH entscheidend, Zuwendungen oder Geschenke begründen nicht per se beim Empfänger eine Einkommensteuer. Das heißt, dass § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die Einkommensteuer erfasst, die durch Geschenke i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG entsteht, wenn und soweit der Empfänger dieser Geschenke dadurch Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 13 bis 24 EStG erzielt. Das wird künftig zu prüfen sein.
2. Die Streitfrage, ob für die Pauschalierung bei Geschenken die Wertgrenze von 35 EUR gilt, entschied der BFH wie aus dem 2. Leitsatz ersichtlich. Entscheidend dafür war, das das Gesetz pauschal auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG Bezug nimmt und nicht mehr – wie noch im ersten Entwurf – auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG verweist (BT-Drucks. 16/2712, S. 11).
3. Für die Einkommensteuerbarkeit ist es grundsätzlich unerheblich, welchen Wert die Geschenke oder Zuwendungen haben. § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst alle Geschenke, also auch Sachzuwendungen, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten 10 EUR nicht übersteigen. Kritisch verweist der BFH darauf, dass es für die von der Finanzverwaltung offenkundig aus Praktikabilitätsgründen gezogene Wertgrenze, wonach Sachzuwendungen mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten bis 10 EUR ("Streuwerbeartikel") nicht in den Anwendungsbereich des § 37b EStG fallen (BMF‐Schreiben in BStBl I 2008, 566, Rz. 10), keine Rechtsgrundlage gibt. Dasselbe gilt für die dort ebenfalls aus dem Anwendungsbereich des § 37b EStG ausgenommene geschäftlich veranlasste Bewirtung i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG.
4. Wenn es demnach darauf ankommt, dass die Zuwendungen oder Geschenke beim Empfänger Einkommensteuer auslösen, ist jeweils zu prüfen, welche Sachzuwendungen der Steuerpflichtige an welche Empfänger erbracht hat. Für die Frage, ob diese Sachzuwendungen bei den Zuwendungsempfängern zu einkommensteuerbaren Einkünften in Form von Betriebseinnahmen führen, verweist der Lohnsteuersenat auf die BFH-Rechtsprechung zu den Gewinneinkünften (BFH, Urteil vom 27.5.1998, X R 17/95, BFH/NV 1998, 1558).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 16.10.2013 – VI R 52/11