Beim BGB-Werkvertrag stehen dem Auftraggeber bei mangelhafter Leistung wahlweise folgende Ansprüche zur Verfügung:
Vor der Abnahme
Die Rechte des Auftraggebers richten sich vor der Abnahme nach dem allgemeinen Schuldrecht. Mängelgewährleistungsrechte stehen dem Auftraggeber grundsätzlich erst nach der Abnahme zu (BGH, Urteil v. 19.1.2017, VII ZR 301/13, NJW 2017 S. 1604).
Diese lange Zeit höchst streitige Rechtsfrage hat der BGH in mehreren Grundsatzentscheidungen dahingehend entschieden, dass sich die Rechte des Auftraggebers vor der Abnahme nach dem allgemeinen Schuldrecht richten und nicht nach dem Mängelgewährleistungsrecht (BGH, Urteil v. 19.1.2017, VII ZR 193/15, BauR 2017 S. 879; BGH, Urteil v. 19.1.2017, VII ZR 301/13, NJW 2017 S. 1604; BGH, Urteil v. 19.1.2017, VII ZR 235/15, NJW 2017 S. 1607; BGH, Urteil v. 6.6.2019, VII ZR 103/16).
Für die Baupraxis sind hiermit jedoch erhebliche Risiken und Unsicherheiten verbunden. Insbesondere die erfolgreiche Geltendmachung etwaiger Kostenerstattungsansprüche für eine vom Auftraggeber vor Abnahme vorgenommene Ersatzvornahme wird zukünftig kaum noch realistisch durchsetzbar sein. In derartigen Konstellationen bedarf es einer intensiven rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt im Einzelfall. Daneben stehen dem Auftraggeber vor der Abnahme die nachstehenden Rechte zu:
□ Erfüllung durch den Auftragnehmer
Der Auftraggeber kann den Auftragnehmer zur Erbringung seiner Leistung in der vereinbarten Zeit auffordern.
□ Abnahmeverweigerung und Anmahnung des Erfüllungsanspruches
Hat der Auftragnehmer seine Leistung als fertiggestellt zur Abnahme angeboten, ohne dass die Leistung tatsächlich vollständig oder fachgerecht ist, kann der Auftraggeber die Abnahme der Leistung verweigern. Darüber hinaus kann der Auftraggeber den Auftragnehmer mit seiner Leistungspflicht unter Rüge der Mängel und offenen Leistungen in Verzug setzen.
□ Schadensersatz nach Kündigung oder Rücktritt (Ausnahmefälle)
Der Auftraggeber kann den Vertrag kündigen, wenn der Auftragnehmer nach Ablauf der vereinbarten Fertigstellungsfrist die Leistung nicht in einer angemessenen Leistungsfrist fachgerecht herstellt. Danach kann der Auftraggeber die zur fachgerechten Herstellung erforderlichen Schäden ersetzt verlangen.
Nach der Abnahme
□ Nacherfüllung durch den Auftragnehmer
Der Unternehmer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung (§ 635 BGB) erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen (§ 635 Abs. 2 BGB).
□ Leistungsverweigerungsrecht
Solange der Auftraggeber die Beseitigung eines Mangels verlangen kann, kann er auch die Zahlung eines angemessenen Teils der Vergütung verweigern; angemessen ist in der Regel das Doppelte der für die Beseitigung des Mangels erforderlichen Kosten (§ 641 Abs. 3 BGB).
□ Selbstvornahme durch den Auftraggeber oder ein Drittunternehmen
gem. § 637 BGB nach erfolglosem Ablauf einer zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist
□ Vorschussanspruch
in Höhe der zu erwartenden Mängelbeseitigungskosten nach erfolglosem Ablauf einer zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist (§ 637 Abs. 3 BGB).
□ Minderung
(Herabsetzung) der Vergütung nach erfolgloser Fristsetzung gem. § 638 BGB
□ Rücktritt vom Werkvertrag
Rückgängigmachung des Vertrags nach erfolgloser Bestimmung einer angemessenen Frist zur Leistung bzw. Nacherfüllung (vgl. §§ 634, 636, 323 und 326 Abs. 5 BGB)
□ Schadensersatz
kumulativ oder alternativ zu Rücktritt oder Minderung gem. §§ 634, 636, 280, 281, 283 und 311a BGB; § 280 BGB umfasst sowohl sog. Mangel- als auch Mangelfolgeschäden
□ Ersatz der vergeblichen Aufwendungen
anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung gem. §§ 634, 280, 281, 283 und 311a BGB
In der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur war es lange Zeit unstreitig, dass dem Auftraggeber diese Mängelrechte bei einem BGB-Bauvertrag bereits vor der Abnahme zustehen.