Leitsatz

Auch nach Neufassung durch das JStG 1996 kann der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG nur gewährt werden, wenn der Veräußerer das 55. Lebensjahr bereits im Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils vollendet hat.

 

Normenkette

§ 16 Abs. 4 EStG

 

Sachverhalt

Der im Dezember 1945 geborene Kläger war Kommanditist der S-KG. Die KG veräußerte ihren Betrieb im Juni des Streitjahrs 2000. Auf den Kläger entfiel nach dem Gewinnfeststellungsbescheid betreffend die KG für 2000 ein Anteil am Betriebsveräußerungsgewinn der KG i.H.v. 39 604 DM.

Im Rahmen der ESt-Veranlagung für 2000 beantragte der Kläger, ihm den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG zu gewähren, da er noch im Lauf des Streitjahrs das 55. Lebensjahr vollendet habe.

FA und FG (EFG 2007, 1020) lehnten das ab, weil der Kläger das 55. Lebensjahr erst nach der Betriebsveräußerung (Juni 2000) vollendet habe. Der BFH teilte diese Auffassung.

 

Entscheidung

Die in § 16 Abs. 4 EStG statuierten Voraussetzungen müssten bereits im Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebs erfüllt sein. § 16 Abs. 4 EStG bezwecke -- neben § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 1 EStG -- einen „Härteausgleich” für die punktuelle Besteuerung der stillen Reserven. Insoweit komme es sowohl für die Entstehung und die Höhe des Betriebsveräußerungsgewinns als auch für die hier relevante Frage, wann der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG erfüllt haben müsse, auf den Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebs (bzw. Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils) an.

 

Hinweis

1. Gem. § 16 Abs. 4 EStG in der für 2000 geltenden Fassung wird auf Antrag ein Freibetrag für Veräußerungs- und Aufgabegewinne i.S.d. § 16 Abs. 1 bis 3 EStG i.H.v. 60 000 DM gewährt, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder er im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig ist.

Nach ganz h.M. müssen die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG bereits „im Zeitpunkt der Betriebsveräußerung oder -aufgabe” vorliegen (vgl. z.B. Reiß in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 16 Rz. 503; Schmidt/Wacker, EStG, 26. Aufl., § 16 Rz. 579; BMF, Schreiben vom 20.12.2005, IV B 2 -- S 2242-18/05, BStBl I 2006, 7).

Der im Streitfall nicht mehr anwendbare § 16 Abs. 4 EStG i.d.F. vor Inkrafttreten des JStG 1996 brachte dies in seinem Wortlaut eindeutig zum Ausdruck.

Die für die Beurteilung des hier vorliegenden Falls maßgebliche Formulierung des § 16 Abs. 4 EStG i.d.F. des JStG 1996 ist demgegenüber mehrdeutig. Dennoch belegt die Entstehungsgeschichte des § 16 Abs. 4 EStG i.d.F. des JStG 1996, dass der Gesetzgeber insoweit eine sachliche Änderung der Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags gegenüber der früheren Fassung der Norm nicht beabsichtigte (vgl. BT-Drucks. 13/1686, 36).

2. a) Nach diesen Grundsätzen erfüllte der Steuerpflichtige, der das 55. Lebensjahr erst im Dezember des Streitjahrs 2000 und damit erst nach der schon im Juni 2000 vollzogenen Betriebsveräußerung vollendete, die Voraussetzungen für die Gewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG nicht.

b) Im Streitjahr vollzog sich die Betriebsveräußerung in einem bestimmten Zeitpunkt. Nicht selten erstrecken sich indessen die mehreren Veräußerungs- und Aufgabevorgänge über einen gewissen, wenn auch mehr oder minder engen Zeitraum, welcher sich unter Umständen über zwei und im Extremfall sogar über drei Veranlagungszeiträume hinzieht.

Solchenfalls wird der (allerdings zusammen nur einmal zu berücksichtigende) Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nach herrschender und m.E. zutreffender Meinung auch dann gewährt, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 EStG (Vollendung des 55. Lebensjahrs oder Eintritt der dauernden Berufsunfähigkeit) spätestens am Ende des Betriebsveräußerungs- oder Betriebsaufgabezeitraums erfüllt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.11.2007, X R 12/07

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