Veräußerungsfreibetrag wegen dauernder Berufsunfähigkeit bei Betriebsverpachtung
Gesetzliche Freibetragsregelegung des § 16 Abs. 4 EStG
Hat der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet oder ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig, so wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 EUR übersteigt. Der Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal zu gewähren. Er ermäßigt sich um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn 136.000 EUR übersteigt.
Praxisfall: Betriebsverpachtung aus gesundheitlichen Gründen
In der Praxis kommt es vor, dass ein Betriebsinhaber aus Gesundheitsgründen nicht in der Lage ist, seinen Betrieb unverändert fortzuführen, und er sich daher entschließt, den Betrieb zu verpachten.
Beispiel: B ist Inhaber einer Bäckerei, die er von seinem Vater geerbt hat. Bereits 2017 traten gesundheitlich bedingte Einschränkungen in der körperlichen Leistungsfähigkeit ein. Es handelt sich um eine dauernde Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Aus diesem Grund verpachtete B die Bäckerei ab 1.1.2018 bis 31.12.2022 an seinen Arbeitnehmer A. Zusätzlich wurde vereinbart, dass sich die Pachtdauer um weitere 5 Jahre verlängern sollte, falls nach Ablauf der vorgesehenen Pachtdauer eine Weiterführung des Betriebs durch den Verpächter wegen seines Gesundheitszustands nicht in Betracht komme. Nachdem der Gesundheitszustand des B sich weiterhin verschlechtert hat, veräußerte er am 31.12.2022 die Bäckerei an A. Der Veräußerungsgewinn beträgt 125.000 Euro. Im Veräußerungszeitpunkt war B 54 Jahre alt.
Vorliegend stellt sich die Frage, ob B den Veräußerungsfreibetrag wegen dauernder Berufsunfähigkeit erhalten kann, obwohl er im Zeitpunkt der Veräußerung im Grunde seinen Beruf als Bäcker gar nicht mehr ausgeübt hat.
Tipp: BFH-Rechtsprechung zu einem landwirtschaftlichen Betrieb
Der BFH hat entschieden, dass der Veräußerungsfreibetrag auch dann zu gewähren ist, wenn ein Betriebsinhaber seinen Betrieb wegen seines die berufliche Tätigkeit ausschließenden Gesundheitszustands zunächst befristet verpachtet und nach Erlangung der Gewissheit, dass er dauernd unfähig bleiben werde, den Betrieb wieder selbst zu übernehmen, veräußert (BFH, Urteil v. 13.3.1986, IV R 176/84, BStBl 1986 II S. 601). Das Urteil ist zwar zu einem landwirtschaftlichen Betrieb ergangen, es gilt jedoch für alle Gewinneinkünfte, also auch für Gewerbetreibende.
Ein Gewerbetreibender, der seinen Betrieb wegen Berufsunfähigkeit nicht sofort veräußert, sondern zunächst verpachtet und erst nach Feststellung der bleibenden Dauer der Berufsunfähigkeit veräußert, steht also der Freibetrag zu. Seine Situation ist im Grunde dieselbe wie die des sofort veräußernden Steuerpflichtigen. Die zwischenzeitliche Verpachtung hat an seiner Lage nichts geändert, wenn er in dieser Zeit die Berufsunfähigkeit nicht wieder erlangt hat (so zutreffend Leingärtner, RWP 1986/1148 SG 1.3 in einer Urteilsanmerkung). Auch ein verpachteter Gewerbebetrieb kann wegen Berufsunfähigkeit veräußert werden (Schmidt/Wacker, EStG, 41. Aufl. 2022, § 16 Rn. 575).
Hinweis: Kausalität zwischen Veräußerung und Berufsunfähigkeit nicht erforderlich
Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG kann gewährt werden, wenn die dauernde Berufsunfähigkeit im Zeitpunkt der Veräußerung oder Aufgabe vorliegt; eine Kausalität zwischen der Veräußerung oder Aufgabe und der Berufsunfähigkeit ist nicht erforderlich (R 16 Abs. 14 Satz 3 EStR). Maßgebender Zeitpunkt, bis zu dem die dauernde Berufsfähigkeit vorliegen muss, ist der Zeitpunkt des Erfüllungsgeschäfts.
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