Leitsatz
Bei der Wertermittlung nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer im sog. Stuttgarter Verfahren ist der gewichtete Durchschnittsertrag auf der Grundlage der letzten drei vor dem Besteuerungszeitpunkt abgelaufenen Wirtschaftsjahre zu ermitteln.
Das Betriebsergebnis des im Besteuerungszeitpunkt laufenden Wirtschaftsjahrs bleibt unberücksichtigt.
Normenkette
§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Satz 1 ErbStG, § 11 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BewG, R 97 Abs. 1 Satz 1, R 99 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 ErbStR 1999/2003
Sachverhalt
Der Kläger erhielt am 27.12.1999 einen Teilgeschäftsanteil an einer GmbH geschenkt, die in den Jahren 1996 bis 1999 – zahlenmäßig vereinfacht – folgende Betriebsergebnisse erzielt hat: 560.000 DM, 1.130.000 DM, 2.065.000 DM und 2.530.000 DM.
Im Rahmen der Steuerfestsetzung bewertete das FA den Anteil mithilfe des Stuttgarter Verfahrens. Dabei ermittelte es den Ertragshundertsatz zunächst, indem es einen Zwischenwert der Ergebnisse der Jahre 1996, 1997, 1998 einerseits und der Jahre 1997, 1998, 1999 andererseits bildete.
Das FG hielt dies für rechtswidrig und berücksichtigte lediglich die Ergebnisse der Jahre 1996, 1997, 1998. Mit der Revision ging das FA dazu über, die Ergebnisse der Jahre 1997, 1998 und – anteilig bis zum 27.12. des Jahrs 1999 – heranzuziehen.
Entscheidung
Der BFH lehnte beide Berechnungsmethoden des FA ab und bestätigte die Vorgehensweise des FG. Das anteilige Betriebsergebnis 1999 hat außer Betracht zu bleiben. Die Grundlage für den gewichteten Durchschnittsertrag ist nach R 99 Abs. 1 Satz 3 ErbStR möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei Jahre herzuleiten. "Möglichst" heißt "wenn möglich". Im Streitfall besteht diese Möglichkeit.
Hinweis
In R 99 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 1999/2003 ist vorgesehen, den gewichteten Durchschnittsertrag möglichst aus den Betriebsergebnissen der letzten drei Wirtschaftsjahre vor dem Bewertungsstichttag herzuleiten. Die Frage ist, was dabei unter "möglichst" zu verstehen ist. Es kann einmal bedeuten, die letzten drei abgelaufenen Wirtschaftsjahre seien maßgeblich, wenn nicht Anhaltspunkte vorliegen, dass die Einbeziehung des Wirtschaftsjahrs, in das der Stichtag fällt, dem voraussichtlichen künftigen Jahresertrag näher kommt. Ein solches Verständnis führte aber zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten und zu einem Eingehen auf die Besonderheiten des Einzelfalls, das die mit dem Stuttgarter Verfahren angestrebte Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährden würde.
Der BFH liest daher das Wort "möglichst" anders, nämlich i.S.v. "wenn es möglich ist". Möglich ist es immer dann, wenn drei vor dem Stichtag abgelaufene Wirtschaftsjahre vorhanden sind. Dieses Verständnis des Worts "möglichst" wahrt den Grundsatz, dass von den im Stuttgarter Verfahren erzielten Schätzungsergebnissen nur in den Aufnahmefällen abgewichen werden soll, in denen die Ergebnisse nicht tragbar und offensichtlich unzutreffend sind.
Als Probleme, die sich ergäben, wenn das anteilige Betriebsergebnis des laufenden Wirtschaftsjahrs einbezogen werden würde, führt der BFH an: Hält man sich daran, dass der Durchschnittsertrag aus drei vollen Jahren zu ermitteln ist, sind zwei anteilige Betriebsergebnisse zu errechnen, nämlich eines vom Anfang und eines vom Ende. Nimmt man aber nur das anteilige Betriebsergebnis des Stichtagsjahrs und die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Wirtschaftsjahre, wird der Grundsatz durchbrochen, dass die Betriebsergebnisse aus drei vollen Wirtschaftsjahren heranzuziehen sind. Beide in Betracht kommenden Vorgehensweisen kollidieren zudem mit der Regelung über die Gewichtung nach Wirtschaftsjahren in R 99 Abs. 3 ErbSt 1999/2003.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.2.2007, II R 19/05