Leitsatz
Mehraufwendungen für einen behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses oder einer Wohnung sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Sie sind weder durch den Grund- oder Kinderfreibetrag noch durch den Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag abgegolten.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Mieterhöhung infolge behindertengerechter (Um-)Baumaßnahmen als außergewöhnliche Belastungen im Sinne von § 33 EStG. Die Kläger beantragten erfolglos die Berücksichtigung der im Zusammenhang mit der Behinderung ihres Sohnes angefallene "Mehrmiete" infolge des behindertengerechten Umbaus als außergewöhnliche Belastung. Nach erfolglosen Einspruchsverfahren begehrten die Kläger im Klageverfahren weiter die gesamte Mehrmiete infolge des behindertengerechten Umbaus in Form des Pflegebads in Höhe von jährlich 14.498 EUR als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass das Finanzamt in sämtlichen Streitjahren bei der Festsetzung der Einkommensteuer zu Recht außergewöhnliche Belastungen der Kläger im Zusammenhang mit der Errichtung des behindertengerechten Verbindungsbaus mit Pflegebad nur in Höhe von 7.128 EUR zugrunde gelegt hat. In diesem Umfang seien die entsprechenden Aufwendungen durch die behindertengerechte Ausgestaltung eines Objekts veranlasst gewesen, was im Streitfall durch ein Sachverständigengutachten entsprechend bestätigt worden sei. Entgegen der Auffassung des Finanzamts werde der Abzug dieser zwangsläufigen Aufwendungen vorliegend auch nicht durch einen Gegenwert gehindert. Denn behinderungsbedingter Mehraufwand stehe stets so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwerts in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund trete. Auch die Frage nach zumutbaren Handlungsalternativen stelle sich in solchen Fällen nicht. Deshalb sei es nach Auffassung des FG unerheblich, ob die der Krankheit oder Behinderung geschuldeten Mehrkosten im Rahmen eines Neubaus, der Modernisierung eines Altbaus oder des Umbaus eines bereits selbstgenutzten Eigenheims oder einer Mietwohnung entstanden seien.
Hinweis
Mit diesem Urteil hat das FG weiter entschieden, dass die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung durch eine GmbH an ihren beherrschenden Gesellschafter eine mit der Kostenmiete zu bewertende verdeckte Gewinnausschüttung darstellt. Da das FG die Revision nicht zugelassen hatte, haben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und damit Erfolg gehabt. In dem Verfahren Az beim BFH VI R 15/23 muss der BFH nun entscheiden, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung aufgrund der unentgeltlichen Überlassung eines behindertengerecht umgebauten Hauses zugleich als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG beim Mehrheitsgesellschafter zu berücksichtigen ist, soweit diese einen behinderungsbedingten Mehrbedarf abdeckt.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil v. 27.10.2022, 10 K 3292/18