Leitsatz
Die verbilligte Überlassung von Arbeitskitteln und -jacken unterliegt nicht der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1999, wenn sie durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist.
Normenkette
§ 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1999
Sachverhalt
Die Klägerin stellte ihren Metzgern und Verkäuferinnen Arbeitskittel und -jacken zur Verfügung, die diese tragen mussten. Die Arbeitskleidung wurde von einem Serviceunternehmen angemietet und gereinigt. Die Arbeitnehmer zahlten für die Überlassung und die Reinigung ein Entgelt, das in den Streitjahren 1999 bis 2002 zwischen 30 % bis 45 % der Kosten der Klägerin betrug.
Das FA unterwarf die Überlassung der Arbeitskleidung der USt und legte als Bemessungsgrundlage nicht das tatsächlich vom Arbeitslohn einbehaltene Entgelt, sondern die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG zugrunde.
Das FG gab der Klage statt: Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL verbiete die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage. Die nach Art. 27 der 6. EG-RL erteilte Ermächtigung für eine Sondermaßnahme, auf der § 10 Abs. 5 UStG beruhe, umfasse die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage im Streitfall nicht, weil keine Steuerumgehung vorliege (Haufe-Index 1692684, EFG 2007, 956).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte aus den in den Praxis-Hinweisen aufgeführten Gründen keinen Erfolg.
Hinweis
1. Bei der verbilligten Überlassung von Arbeitskleidung, die die Arbeitnehmer tragen müssen, kann bereits fraglich sein, ob überhaupt der Leistungstatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt ist. Der Leistungstatbestand dieser Vorschrift ist jedoch weit auszulegen und umfasst jede beliebige Vorteilsgewährung. Danach liegt ein verbrauchsfähiger Vorteil vor, weil die Arbeitnehmer keine eigene Kleidung verwenden und reinigen müssen. Es handelt sich auch um eine entgeltliche Leistung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Eine solche liegt auch dann vor, wenn das gezahlte Entgelt nicht dem objektiven Wert entspricht, es sei denn, die Vergütung hat nur symbolischen Charakter. Davon kann im Besprechungsfall bei einem Entgelt von 30 % der Kosten oder mehr jedoch nicht die Rede sein.
2. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG unterliegen Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal oder dessen Angehörige aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt, der Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG, wenn diese das Entgelt übersteigt.
Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "aufgrund des Dienstverhältnisses" ist zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift auf einer der Bundesrepublik Deutschland gewährten Sonderermächtigung zur Verhütung von Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen beruht (vgl. BFH, Beschluss vom 13.12.1995, XI R 8/86, BFHE 179, 457). Dieser Zweck spricht dafür, bei einer verbilligten Leistung die Mindestbemessungsgrundlage nur dann anzuwenden, wenn sie bei unentgeltlicher Leistungserbringung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b UStG in der bis zum 31.03.1999 geltenden Fassung steuerbar wäre. Denn wenn eine Leistung des Arbeitgebers im Fall ihrer Unentgeltlichkeit nicht einmal steuerbar wäre, leuchtet nicht ein, weshalb bei einem unter dem objektiven Wert liegenden Entgelt ein höherer Betrag als Bemessungsgrundlage angesetzt werden sollte.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b UStG sind Lieferungen oder sonstige Leistungen steuerbar, die ein Unternehmen an seine Arbeitnehmer oder deren Angehörige "aufgrund des Dienstverhältnisses" ausführt, für die die Empfänger kein besonderes Entgelt aufwenden. Zu dem Tatbestandsmerkmal "aufgrund des Dienstverhältnisses" hat der EUGH entschieden, dass es vorliegt bei Leistungenfür den privaten Bedarf der Arbeitnehmer, nicht aber, wenn eine Leistung durch die betrieblichen Erfordernisse des Unternehmens bedingt ist (Urteil vom 16.10.1997, Rs. C-258/95, Fillibeck, Slg. 1997, I-5577). Dem folgend, greift nach der Rechtsprechung des BFH § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b UStG nicht ein, wenn die Erfordernisse des Unternehmens die unentgeltliche Beförderung der Arbeitnehmer zu wechselnden Arbeitsstätten gebieten (BFH, Urteil vom 10.06.1999, V R 104/98, BStBl II 1999, 582).
An dieser Beurteilung hat sich nichts dadurch geändert, dass § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. b UStG 1993 mit Wirkung ab dem 01.04.1999 durch die Fiktion einer entgeltlichen Leistung nach § 3 Abs. 9a S. 1 Nr. 2 UStG 1999 ersetzt wurde. Denn materiell-rechtliche Änderungen haben sich daraus nicht ergeben.
3. Für die verbilligte Überlassung von typischer Arbeits- oder Berufskleidung, die die Arbeitnehmer tragen müssen, liegt auf der Hand, dass sie durch betriebliche Erfordernisse des Arbeitgebers bedingt ist und damit nicht der Mindestbemessungsgrundlage unterliegt.
Dazu verhält sich stimmig, dass nach § 3 Nr. 31 EStG die Überlassung typischer Berufskleidung, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt überlässt, steuerfrei ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.02.2008, XI R 50/07