Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Ein Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO liegt vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die - gemessen am erstrebten Ziel - unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Auch Angehörigen steht es frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Das FG Düsseldorf hat jetzt entschieden, dass der Abschluss eines Mietvertrages mit Eltern des Steuerpflichtigen unter gleichzeitiger Erhöhung der Barleistung auf Grund einer dauernden Last auch dann steuerlich anzuerkennen ist, wenn den Eltern zuvor ein unentgeltliches Wohnrecht an anderen Räumlichkeiten zur Verfügung stand und der Mietzins vollumfänglich aus der Erhöhung der monatlichen Barleistung beglichen wird.
Sachverhalt
Der Steuerpflichtige betreibt auf Grund eines Hofüberlassungsvertrages den elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb. Laut Überlassunsgsvertrag wurden eine monatliche Barleistung i. H. v. 1 000 DM und ein unentgeltliches Wohnrecht an bestimmten Räumen des Bauernhauses vereinbart, die das Finanzamt als dauernde Last steuermindernd berücksichtigte. Im Streitjahr errichtete der Steuerpflichtige auf dem Hofgrundstück ein Altenteilwohnhaus, das er mit schriftlichem Mietvertrag an die Eltern zu einem monatlichen Mietzins i. H. v. 750 DM vermietete. Gleichzeitig wurde die im Hofüberlassungsvertrag vereinbarte Barleistung an die Eltern um diesen Betrag erhöht. Das Finanzamt erkannte das zwischen dem Steuerpflichtigen und seinen Eltern vereinbarte Mietverhältnis unter Hinweis auf § 42 AO nicht an. Zudem berücksichtigte es den Betrag i. H. v. 750 DM nicht als dauernde Last.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG in vollem Umfang der Besteuerung unterliegen und die strittigen Barleistungen an die Eltern als zusätzliche Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG steuermindernd zu berücksichtigen sind. Gründe, die gegen die steuerliche Anerkennung des Mietvertrages sprächen, seien nicht gegeben. Insbesondere sei der Vertrag wie zwischen fremden Dritten vereinbart und auch durchgeführt worden. Die Vermietung erfolgte trotz der zunächst erzielten Verluste auch mit der dafür erforderlichen Einkünfterzielungsabsicht. Dies gelte auch im Hinblick auf die neue höchstrichterliche Rechtsprechung (BFH, Urteil v. 5.11.2002, IX R 48/01, BFH/NV 2003 S. 253), wonach bei einem Mietzins zwischen 50 und 75 % der ortsüblichen Marktmiete die Einkünfteerzielungsabsicht anhand einer Überschussprognose zu prüfen sei.
In der Vereinbarung einer höheren Barleistung an Stelle des bislang genutzten Wohnrechts und dem gleichzeitigen Abschluss eines Mietvertrages über den neu geschaffenen Wohnraum sei auch kein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu sehen. Die gewählte Gestaltung sei weder unangemessen noch unüblich. Eltern und Kindern stehe es vielmehr frei, die Nutzung überlassener Räumlichkeiten unentgeltlich oder entgeltlich zu regeln. Der Steuerpflichtige und seine Eltern hätten sich vorliegend für eine entgeltliche Wohnungsüberlassung entschieden und damit lediglich von einem ihnen durch Gesetz eingeräumten Gestaltungswahlrecht Gebrauch gemacht. Die Zahlung der dauernden Last einerseits und die Erfüllung der mietvertraglichen Vereinbarungen andererseits seien zwei unterschiedliche Vorgänge, die auch steuerrechtlich voneinander zu trennen seien.
Hinweis
Das FG ist damit nicht der Auffassung des Finanzamts gefolgt, einen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten deshalb anzunehmen, weil der Mehrbetrag der dauernden Last sogleich wieder als Mietzahlung an den Steuerpflichtigen zurückfloss und damit auf Grund eines Gesamtplanes nur Geldbeträge hin- und hergeschoben worden seien. Da die Rechtsprechung der Finanzgerichte in Bezug auf die dem Urteilsfall zu Grunde liegende Problematik nicht einheitlich ist, hat das FG die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Die zwischenzeitlich vom Finanzamt eingelegte Revision wird beim BFH unter dem Az. IX R 22/03 geführt. Es bleibt abzuwarten, ob die Revision des Finanzamts Erfolg haben wird, denn die Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung von Mietverhältnissen unter Angehörigen hat sich in den letzten Jahren entscheidend zu Gunsten der Steuerpflichtigen geändert. Letztlich ist für die Beurteilung, ob ein Hin- und Herschieben von Geldbeträgen rechtsmissbräuchlich ist, der Gesamtplan der Beteiligten entscheidend. Da dieses Kriterium eine innere Tatsache ist, kann es nur anhand von Indizien glaubhaft oder nachgewiesen werden. Der BFH betont in diesem Zusammenhang, dass die gesamten Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu würdigen sind.
Link zur Entscheidung
FG Düsseldorf, Urteil vom 10.02.2003, 7 K 2264/00 E