Leitsatz
1. Mitunternehmer kann auch sein, wer einen Anteil an einer Personengesellschaft erwirbt, um ihn kurze Zeit später weiterzuveräußern.
2. Ermittelt die Personengesellschaft ihren Gewinn gemäß § 5a EStG nach der Tonnage, umfasst der pauschal ermittelte Betrag auch Gewinne aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen unabhängig von der Beteiligungsdauer. Ein Gestaltungsmissbrauch ist in der Nutzung der Abgeltungswirkung für Veräußerungsgewinne nach kurzer Beteiligungsdauer nicht zu sehen.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1, § 5a Abs. 1 und 5 EStG, § 42 AO
Sachverhalt
Die klagende KG hatte im Streitjahr 2008 Anteile von mehreren Kommanditisten einer Publikumsfonds-KG erworben, die ein Schiff betrieb und ihren Gewinn pauschal gemäß § 5a EStG nach der Tonnage ermittelte. Alle erworbenen Anteile hatte die Klägerin wenig später mit Gewinn an einen Zweitmarktfonds weiterveräußert.
Im Rahmen der Gewinnfeststellung für die Schiffs-KG lehnte es das FA ab, die Klägerin als Mitunternehmerin aufzunehmen. Das FG gab der Klage statt (FG Hamburg, Urteil vom 18.10.2013, 6 K 175/11, Haufe-Index 6420217).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Die Klägerin sei im Streitjahr sowohl für eine gewisse Zeit als Gesellschafterin Mitunternehmerin der Schiffs-KG gewesen als auch darüber hinaus, soweit ihr Anteile bereits vor Erwerb der Gesellschafterstellung als Mitunternehmerin zuzurechnen waren. Dass der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile mit dem pauschal nach der Tonnage ermittelten Gewinn abgegolten war, lasse den Zwischenerwerb nicht als Gestaltungsmissbrauch erscheinen.
Hinweis
1. Das Urteil betrifft einerseits eine Besonderheit der Tonnagebesteuerung (dazu unter 4.), andererseits aber auch Grundsatzfragen des Einkommensteuerrechts, die sich bei jeder Personengesellschaft stellen können, nämlich in Bezug auf die Frage, wann man die Stellung als Mitunternehmer erwirbt und ob der Erwerb eines Gesellschaftsanteils in der Absicht der sofortigen Weiterveräußerung der Mitunternehmerstellung entgegensteht.
2. Grundsätzlich decken sich die zivilrechtliche Stellung als Gesellschafter und die steuerrechtliche Stellung als Mitunternehmer. Weil steuerrechtlich aber vom zivilrechtlichen Eigentum abgewichen wird, wenn die Voraussetzungen für wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO erfüllt sind, ist auch ein Nichtgesellschafter dann anstelle des Gesellschafters als Mitunternehmer anzusehen, wenn er dessen gesellschaftsrechtliche Position einnehmen kann, die es ihm ermöglicht, Mitunternehmerrisiko zu tragen und Mitunternehmerinitiative zu entfalten. Dies ist insbesondere im Vorfeld des Erwerbs eines Personengesellschaftsanteils der Fall, wenn der Erwerber rechtsgeschäftlich eine auf den Erwerb des Gesellschaftsanteils gerichtete, rechtlich geschützte Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die ihm schon vor Erwerb der Gesellschafterstellung die Übernahme des Mitunternehmerrisikos sowie die Wahrnehmung der Mitunternehmerinitiative anstelle des Veräußerers sichert. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung des Gesellschaftsvertrags und der Bedingungen des Übertragungsvertrags zu prüfen.
3. Im Urteilsfall hatte das FA die Mitunternehmerstellung eines Anteilserwerbers verneint, weil dieser Beteiligungen nur zum Zweck der gewinnbringenden baldmöglichen Weiterveräußerung erworben hatte. Dies steht nach Meinung des BFH aber einer Mitunternehmerstellung für die Zeit, in der der Anteil dem Erwerber als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen ist, nicht entgegen. Es bedarf auch nicht der Absicht, in der kurzen Zeit der Beteiligung einen Anteil am laufenden Gewinn zu erhalten, weil auch der Gewinn aus dem sofortigen Weiterverkauf des Anteils ein Gewinn aus der Beteiligung als Mitunternehmer ist und die Absicht auf Erzielung eines solchen Gewinns als Gewinnerzielungsabsicht des Zwischenerwerbers ausreicht.
4. Den Gewinn aus dem kurzfristigen Erwerb mit sofortiger Weiterveräußerung zu einem höheren Preis hätte der Zwischenerwerber möglicherweise auch auf andere Weise erzielen können, indem er etwa den Kauf zwischen dem Anteilsveräußerer und dem Enderwerber vermittelt und dafür eine Provision erhalten hätte. Für welches Geschäftsmodell sich der Unternehmer entscheidet, ist allerdings seine Sache. Er darf sich dabei auch für die ertragsteuerlich günstigste Variante entscheiden. Das war hier der Zwischenerwerb, weil es um Anteile an einem Schiffsfonds ging, der seinen Gewinn nach der Tonnage ermittelte. Der Gewinn aus der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen ist dann mit dem pauschal ermittelten Gewinn abgegolten und löst keine Einkommensteuerbelastung aus. Weil das Gesetz mit der pauschalen Gewinnermittlung bewusst solche Vorteile geschaffen hat, kann deren Ausnutzung kein Gestaltungsmissbrauch i.S.d. § 42 AO sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.6.2017 – IV R 42/13