Dr. Birger Brandt, Prof. Jürgen Brandt
Leitsatz
Ein Grundlagenbescheid, der einen gleichartigen, dem Inhaltsadressaten wirksam bekannt gegebenen Steuerverwaltungsakt in seinem verbindlichen Regelungsgehalt nur wiederholt, löst keine Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 a.F. (jetzt § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977) aus und wirkt auch nicht gem. § 171 Abs. 10 AO 1977 auf den Lauf der Festsetzungsfrist für den Folgebescheid ein.
Normenkette
§ 171 Abs. 10 AO , § 175 Abs. 1 Nr. 1 a.F. AO , § 179 Abs. 2 Satz 2 AO , § 180 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2a AO , § 181 Abs. 1 Satz 1 AO , § 182 Abs. 1 Satz 1 AO , § 3, § 19 f. BewG
Sachverhalt
Für den Kläger und andere beteiligte sich 1980 die X-GmbH als Treuhänderin im eigenen Namen, aber für Rechnung der Treugeber an der Y-Beteiligungs-GmbH & Co. KG, die nach Liquidation zum 31.12.1989 vollbeendet war. Aufgrund einer Außenprüfung im Zusammenhang mit der Veranlagung für 1980 und 1981 sah das für die KG zuständige FA (FA II) die Treugeber als Kommanditisten an, verteilte das Gesamtergebnis der KG auf die einzelnen Komplementäre und zunächst in einer Summe auf die "Kommanditisten lt. Liste" und wertete die Ergebnisse der Außenprüfung für die Veranlagungen zur Einkommen- und Vermögensteuer durch Sammelbescheide vom 20.11.1987 aus.
Das Wohnsitz-FA (FA I) des Klägers änderte daraufhin dessen Einkommensteuerveranlagungen mit Bescheiden vom 13.7.1989 entsprechend, setzte aber auf Einspruch des Klägers mit Änderungsbescheiden vom 3.4.1990 (für 1980) und 13.7.1990 (für 1981) erneut – wegen angenommenen Ablaufs der Jahresfrist nach § 171 Abs. 10 AO – die ursprünglichen Verlustanteile an.
Am 21.12.1990 änderte das FA II den Feststellungsbescheid vom 20.11.1987 hinsichtlich Höhe und Zurechnung von Komplementäranteilen an der KG sowie den Sammeleinheitswertbescheid, ohne jeweils die den Kläger betreffenden Feststellungen zu ändern. Daraufhin änderte das FA I die Einkommensteuer für 1980 und 1981 erneut unter Ansatz der in den Bescheiden vom 13.7.1989 berücksichtigten Verlustanteile; zugleich führte es eine Neuveranlagung zur Vermögensteuer auf den 1.1.1981 durch und erließ am selben Tag auf den 1.1.1982, 1983 und 1994 entsprechende Änderungsbescheide.
Die dagegen nach erfolglosem Einspruchs- und Klageverfahren eingelegte Revision hatte Erfolg.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH enthielten die Grundlagenbescheide vom 21.12.1990 für den Kläger gegenüber denjenigen vom 20.11.1987 keine neuen, sondern nur wiederholende Regelungen, weil alle den Kläger und die ihn betreffenden Folgebescheide maßgeblichen Entscheidungen schon in den erstgenannten Verwaltungsakten getroffen und unverändert beibehalten wurden. Demgemäß habe außer Zweifel gestanden, dass die in den Anlagen aufgeführten Zurechnungssubjekte nur über die X an der KG beteiligt und in dieser Eigenschaft von den jeweiligen Einzelfallregelungen betroffen gewesen seien. Der Pflicht zur Anpassung der Folgebescheide an die Grundlagenbescheide, die sich allein aus denjenigen vom 20.11.1987 ergeben könne, sei verjährt.
Denn die einjährige Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 10 AO in der für die Streitjahre maßgeblichen Fassung setze ebenso wie die Korrekturvorschrift § 175 Abs. 1 AO selbst, den wirksamen Erlass, die wirksame Aufhebung oder Änderung eines Grundlagenbescheids voraus und erstrecke sich damit nicht auf die bloße Wiederholung eines Grundlagenbescheids.
Hinweis
Tatbestandsmäßige Voraussetzung für eine Korrektur nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO a.F. ist, dass ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für den Folgebescheid erlassen, aufgehoben oder geändert wird. Lässt er den Regelungsgehalt des Folgebescheids unberührt, löst er keine Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO aus. Folglich kommt auch eine Korrektur nicht in Betracht, soweit er, bezogen auf seinen verbindlichen Inhalt, für einen Folgebescheid nur als Wiederholung zu werten ist.
Ob im Einzelfall eine lediglich wiederholende – und damit regelungslose – Verfügung (vgl. Siegmund in Brandt/Sachs, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, Rz. D 47 mwN) oder aber eine erneute Sachentscheidung vorliegt, kann problematisch sein. Gegen die Annahme einer erneuten "Regelung" kann eingewendet werden, dass eine erneute Sachprüfung selbst im Hinblick auf einen eingelegten Rechtsbehelf zumindest für die unstreitig gebliebenen Teile des Erstbescheids nicht veranlasst war und auch nicht ersichtlich ist (vgl.Gürhoff in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 118 AO, Rz. 14 mwN).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 13.12.2000, X R 42/96