Leitsatz

Nach dem bis zum 30.6.2002 geltenden Zustellungsrecht des VwZG konnte im finanzgerichtlichen Verfahren eine Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht wirksam per Telefax erfolgen. Fehlt es an einem ordnungsgemäßen Zustellungsgegenstand, kommt eine Heilung des Zustellungsmangels nach § 9 Abs. 1 VwZG nicht in Betracht.

 

Normenkette

§ 53 FGO , § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO , § 116 Abs. 6 FGO , § 119 Nr. 4 FGO , § 2 Abs. 1 VwZG , § 5 Abs. 2 VwZG , § 9 Abs. 1 VwZG , § 166 Abs. 1 ZPO , § 74 Abs. 2 (i.d.F. des ZustRG) ZPO

 

Sachverhalt

Das FG hatte Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt. Die Terminsladungen wurden den Beteiligten per Telefax samt Vordruck des Empfangsbekenntnisses zugestellt. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger meldete sich daraufhin beim FG und machte geltend, die Ladung per Telefax sei nicht wirksam. Er könne weder die Echtheit der Absenderkennung noch die Echtheit der Unterschrift prüfen.

Auf spätere Anfrage wurde dem Büro des Prozessbevollmächtigten vom FG telefonisch mitgeteilt, der Termin werde durchgeführt. Im Termin erschien für die Kläger niemand. Das FG wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH hat keine Möglichkeit gesehen, auf der Grundlage des im Streitfall noch anzuwendenden alten Rechts die Revisionsbeschwerde zurückzuweisen, obwohl man meint, ihren querulatorischen Charakter durchscheinen zu sehen. § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG a.F. ließ eine Zustellung nur durch Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift oder durch Vorlegen der Urschrift zu.

Ein Telefax ist eine Kopie, insbesondere fehlt ihm naturgemäß der Beglaubigungsvermerk (denn selbst ein mitgefaxter Beglaubigungsvermerk wäre nur die Fax-Kopie eines Beglaubigungsvermerks). Es kam allenfalls eine Heilung nach § 9 Abs. 1 VwZG in Betracht. Auch diese Vorschrift setzt indes nach Ansicht des BFH voraus, dass der Empfangsberechtigte letztlich das zuzustellende Schriftstück, d.h. die den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG entsprechende Urkunde, irgendwie erhalten hat. Daran fehlte es. Der BFH hat die Sache deshalb an das FG zurückverwiesen.

Er meinte dies durch Beschluss (nur drei Richter!) tun zu können, weil es sich um keine Grundsatzfrage, sondern ein Problem des ausgelaufenen Rechts handelte.

 

Hinweis

1. Sind bei einer Zustellung zwingende Zustellungsvorschriften verletzt worden oder lässt sich eine formgerechte Zustellung nicht nachweisen, ist ein solcher Mangel meistens heilbar. Denn nach § 9 Abs. 1 VwZG gilt das betreffende Schriftstück als zugestellt, wenn es nur tatsächlich zugegangen ist. Nur Fristen werden dadurch nach Abs. 2 grundsätzlich nicht in Lauf gesetzt.

Ist aber nicht das zugestellt worden, was hätte zugestellt werden müssen, fehlt es also z.B. überhaupt am Zugang des vorgeschriebenen Zustellungsgegenstands (siehe dazu § 2 Abs. 1 Satz 1 VwZG) oder weist das zugestellte Dokument inhaltliche Mängel auf, so ist dieser Mangel nicht heilbar.

Beachten Sie aber, dass der Zugang einer Fotokopie eines Steuer- oder Haftungsbescheids eine fehlgeschlagene Zustellung eines solchen Bescheides "heilt". Denn insofern ist – anders als bei der Ladung zu einer mündlichen Gerichtsverhandlung – lediglich die Bekanntgabe in schriftlicher Form vorgeschrieben, eine förmliche Zustellung ist also überhaupt nicht erforderlich.

2. Beachten Sie, dass seit 1.7.2002 dieZustellung im gerichtlichen Verfahren neu geregelt ist. Es gilt jetzt auch im finanzgerichtlichen Verfahren die ZPO und damit § 174 Abs. 2 ZPO n.F. Hiernach kann ein Schriftstück an einen Anwalt und an andere Personen und Behörden, denen gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden kann, auch durch Telekopie zugestellt werden, sofern bestimmte Übermittlungsbedingungen eingehalten sind.

3. Der BFH hat seit 1.1.2001 dieMöglichkeit, im Verfahren der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision aufgrund einer Verfahrensrüge das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieseszurückzuverweisen; er muss also nicht erst die Revision zulassen, um – wie regelmäßig – dann den bereits im Beschwerdeverfahren geprüften und bejahten Verfahrensmangel erneut festzustellen.

4. So darf aber nach dem BFH-Beschluss vom 9.4.2002, VII B 73/01, BFH-PR 2002, 315 nur dann vorgegangen werden, wenn die Verfahrensrüge keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Denn eine Grundsatzfrage darf auch nach neuem Revisionsrecht nur der Vollsenat, nicht eine Beschlussbesetzung entscheiden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 27.6.2002, VII B 171/01

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