Leitsatz
* 1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das FA vom Vergütungsschuldner nicht abgeführte Kapitalertragsteuer durch einen Steuerbescheid gem. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG – als Teil des Steuerabzugsverfahrens – beim Vergütungsgläubiger unbeschadet dessen nachfordern kann, dass dieser zugleich Einkommensteuerschuldner ist.
2. Eine Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers kommt nach § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG aber nur in Betracht, wenn dieser weiß, dass der Schuldner der Kapitalerträge die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem FA nicht unverzüglich mitteilt. Maßgeblich hierfür ist die Nichtabführung im Zeitpunkt der Abführungspflicht. Das Wissen darum, dass es voraussichtlich nicht zur Abführung kommen wird, reicht nicht aus.
*Leitsätze nicht amtlich
Normenkette
§ 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Antragsteller war im Streitjahr 1997 mit 80 % an einer GmbH beteiligt und deren Geschäftsführer. An diesen schüttete die GmbH nach den Steuerbescheinigungen am 11.8.1997 für 1995 und am 6.10.1997 für 1996 Dividenden aus und behielt die darauf entfallende KapESt ein.
Am 4.11.1997 beantragte der Antragsteller in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH, über deren Vermögen wegen Zahlungsunfähigkeit das Konkursverfahren zu eröffnen. Die GmbH teilte dem zuständigen Betriebs-FA am 14.11. 1997 mit, dass sie die einbehaltene KapESt für das Streitjahr nicht entrichten könne.
In seiner Einkommensteuererklärung für 1997 erklärte der Antragsteller entsprechende Einnahmen aus Kapitalvermögen sowie anrechenbare Körperschaftsteuer und KapESt. Das FA rechnete bei Durchführung der Veranlagung die auf die Gewinnausschüttungen für 1995 und 1996 entfallende KapESt im Ergebnis lediglich in dem von der GmbH tatsächlich abgeführten Umfang an. Im Übrigen nahm es den Antragsteller gem. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG für die einbehaltene, nicht abgeführte KapESt aus den Ausschüttungen in Anspruch. Der Antrag, die Vollziehung dieses Bescheids auszusetzen, wurde vom FA und sodann vom FG abgelehnt. Dagegen richtete sich die Beschwerde, ...
Entscheidung
... der der BFH nur teilweise entsprach:
Die Inanspruchnahme des Gläubigers der Kapitalerträge komme nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG nur dann in Betracht, wenn dieser weiß, dass der Schuldner der Kapitalerträge die einbehaltene KapESt nicht vorschriftsmäßig abgeführt habe und dies dem FA nicht unverzüglich mitteile. Im Beschlussfall liege zwar auf der Hand, dass es an einer solchen Mitteilung für die Gewinnausschüttung vom 11.8.1997 fehle. Denn die darauf entfallende KapESt hätte spätestens am 10.9.1997 angemeldet und abgeführt werden müssen. Die Unterrichtung des FA sei aber erst am 14.11.1997 erfolgt.
Für die Ausschüttung vom 6.10.1997 verhalte es sich jedoch anders: Insofern sei die Unterrichtung am 14.11.1997 rechtzeitig, weil sie nur vier Tage nach dem Fälligkeitsdatum 10.11.1997 vorgenommen worden sei. Dass der Geschäftsführer wohl schon vorher geahnt haben möge, es werde voraussichtlich nicht zur Abführung kommen, sei unbeachtlich.
Hinweis
1. Der Geschäftsführer einer zahlungsunfähig gewordenen GmbH kann gem. § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG (i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO) für einbehaltene, aber nicht abgeführte KapESt auch dann mittels Steuerbescheid vom FA in Anspruch genommen werden, wenn er als Vergütungsgläubiger zugleich Schuldner der Einkommensteuer ist. Grund hierfür ist der Umstand, dass die Nachforderung der KapESt sich noch als Teil des Steuerabzugsverfahrens darstellt, das als solches mit der Steuerveranlagung nichts zu tun hat. Insofern ist auf die vergleichbare Situation im Hinblick auf die Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid zu verweisen. Einzelheiten dazu können Sie dem BFH-Beschluss vom 26.2.2003, I R 30/02 und den Praxis-Hinweisen in BFH/PR 2003, 331 entnehmen.
2. Lässt sich aus diesem Gesichtspunkt also kein Abwehrrecht des in Anspruch genommenen Geschäftsführers herleiten, dann mag dies jedoch aus anderen Gründen gelingen.
Die Inanspruchnahme des Gläubigers der Kapitalerträge kommt nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 EStG nämlich nur dann in Betracht, wenn dieser weiß, dass der Schuldner der Kapitalerträge die einbehaltene KapESt nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem FA nicht unverzüglich mitteilt. Was nun unter "unverzüglich" zu verstehen ist, darüber mag spekuliert werden. Die Mitteilung muss jedenfalls ohne schuldhaftes Zögern erfolgen (§ 121 Abs. 1 BGB).
Im Beschlussfall ging es um vier Tage nach dem fälligen Abführungszeitpunkt am 10. des der Ausschüttung folgenden Monats (§ 44 Abs. 1 Satz 5 EStG), was zweifelsfrei noch unverzüglich ist. Möglicherweise wusste der Gläubiger natürlich schon zuvor, dass es "eng" werden würde und dass er nicht in der Lage sein würde, die einbehaltene Abzugssteuer an das FA abzuführen.
Dazu stellt der BFH aber klar: "Das Gesetz entlastet den Gläubiger, wenn er dem FA sein Wissen über di...