Wisdom of the Crowd

Rückschlüsse auf die ESG-Leistung lassen sich aber nicht nur aus der Unternehmensberichterstattung ziehen. Auch das "Wisdom of the Crowd" kann eine wertvolle Informationsquelle darstellen. Plattformen wie Glassdoor sammeln Bewertungen und Rezensionen über Arbeitgeber, Stellenbeschreibungen, Gehaltsniveaus und verschiedene Dimensionen der Arbeitszufriedenheit von Arbeitnehmern. Briscoe-Tran z. B. erfasst das Wissen der Mitarbeiter über die ESG-Aktivitäten ihrer Unternehmen anhand von Mitarbeiterbewertungen. Er analysiert 10,4 Millionen Bewertungen mit einem Word-Embedding-Modell und kommt zu folgenden Ergebnissen.

  • Erstens ist die Korrelation zwischen dieser internen Sichtweise und öffentlichen ESG-Ratings wie MSCI sehr gering.
  • Zweitens sind bei Umweltbewertungen die offiziellen Ratings bessere Leistungsmaßstäbe als die Textanalyse der Mitarbeiterbewertungen. Insbesondere das MSCI E-Rating kann Kohlenstoffemissionen und Verstöße gegen die Umweltvorschriften eines Unternehmens bis zu drei Jahre voraussagen, während die interne Sicht auf die Umweltpraktiken (Mitarbeiterbewertungen) Kohlenstoffemissionen nur schwach vorhersagt.
  • Drittens und wohl am interessantesten scheint die Innensicht für die Dimensionen Soziales und Unternehmensführung die besseren Leistungskennzahlen zu liefern. Die textbasierten Messungen haben eine Vorhersagekraft für das künftige Fehlverhalten eines Unternehmens, Governance-Probleme, Risiken negativer Geschäftsentwicklung, Wachstum und Bewertung. Darüber hinaus scheint die Insider-Ansicht robuster gegenüber Goodwashing.[1]

     
    Hinweis

    Was ist Goodwashing?

    Goodwashing bezieht sich auf eine Marketing-Taktik, bei der Unternehmen sich als sozial und ökologisch verantwortlich oder ethisch präsentieren, ohne tatsächlich nachhaltige Praktiken in allen Dimensionen von ESG umzusetzen. Ähnlich wie beim Greenwashing kann "Goodwashing" beinhalten, vage oder nicht belegte Behauptungen über die Nachhaltigkeitsbemühungen eines Unternehmens aufzustellen, deren Auswirkungen zu übertreiben oder positive Aspekte ihrer Praktiken selektiv hervorzuheben, während negative ignoriert werden. (d. h. Greenwashing in allen drei ESG-Dimensionen) zu sein als öffentlich gemeldete Ratings.

Für Controller ist dieser Ansatz lohnenswert, um sowohl die Erfahrungen der eigenen Mitarbeiter zu verstehen als auch um andere Unternehmen zu analysieren. Anders ausgedrückt: Aus Texten von Mitarbeitern können nun Performancekennzahlen für vielfältige Nachhaltigkeits-Dimensionen abgeleitet werden.

[1] Vgl. Briscoe-Tran, 2022.

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