Sarah Müller, Prof. Dr. Stefan Müller
Rz. 30
Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen, welchen Umfang die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem Willen der EU haben soll. Auch wenn es unglücklich ist, dass die überzeugende Idee der Integrierten Berichterstattung nur teilweise umgesetzt wurde, da der Nachhaltigkeitsbericht nicht komplett in die gesamte Finanzberichterstattung zu integrieren ist, sondern als gesonderter Abschnitt im Lagebericht zu positionieren ist und nur durch aufwändige Verweise Verknüpfungen hergestellt werden können, ist der schiere Umfang der geforderten Berichterstattung mit über 1.100 Datenpunkten (teilweise freiwillig oder unter Wesentlichkeitsvorbehalt) enorm. Zudem ist deren weitere Überarbeitung und Ergänzung bereits angekündigt, da insbesondere in einigen Sozialstandards noch konkrete Kennzahlen fehlen. Dies soll ab dem Geschäftsjahr 2026 noch um weitere, noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindliche Branchenstandards sowie Standards für KMU ergänzt werden. Letztere wurden am 21.1.2024 von der EFRAG in Form von ersten Entwürfen
- für die zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteten KMU (exposure draft ESRS for listed small- and medium-sized enterprises; ED ESRS LSME) sowie
- für die freiwillige Berichterstattung von nicht kapitalmarktorientierten KMU (exposure draft voluntary ESRS for non-listed small- and medium-sized enterprises; ED ESRS VSME) veröffentlicht.
Beide Standards, für die bis Sommer 2024 Konsultationen erfolgten, müssen noch an die EU-Kommission übergeben, formal finalisiert und bekannt gemacht werden, womit sie verbindlich für Unternehmen innerhalb der EU ab dem Geschäftsjahr 2026 gelten würden.
Verpflichtete Unternehmen haben keine Wahl und müssen sich der den Ausgestaltungsanforderungen der jeweiligen Regulierung unterwerfen, welche zunächst die Anwendung der vollen ESRS vorsehen oder wahlweise für zur Berichterstattung verpflichtete KMU auch die Anwendung der ESRS LSME. Für eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung gibt es jedoch insgesamt vier denkbare Ausgestaltungsmöglichkeiten:
- Anwendung der vollen ESRS, d. h. Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den §§ 289b ff. HGB-E. Dies wäre auch notwendig, um den Sorgfaltspflichtenbericht nach § 10 Abs. 2 LkSG zu ersetzen, wie es im RefE zur CSRD-Umsetzung vorgesehen ist, was für große Personenunternehmen mit einer natürlichen Person als Vollhafter relevant wäre. Vorteil ist, dass hier zumindest ein Basisstand schon veröffentlicht ist, gilt, kommentiert ist und zunehmend die Anwendung mit konkreten Beispielen aus Veröffentlichungen vorliegen. Für KMU bedeutet dies aber dennoch einen erheblichen Aufwand, der gut überlegt sein will.
- Anwendung der ESRS für zur Berichterstattung verpflichtete kapitalmarktorientierte KMU (ED ESRS LSME). Hier gibt es gegenüber den vollen ESRS einige Vereinfachungen. Vorteil wäre, dass hier von der Regulatorik die Zusage vorliegt, dass wenn KMU diesen Standard beachten und freiwillig in der Art berichten, keine darüber hinausgehenden Informationen von anderen Unternehmen angefragt werden dürfen, da dann alle relevanten Informationen in dem veröffentlichten Bericht enthalten sind (LSME-Cap). Allerdings gibt es auch hier die Herausforderung, dass die Berichterstattung immer noch sehr umfangreich ist.
Anwendung der ESRS für zur freiwilligen Berichterstattung für KMU (ED ESRS LSME). Die Entwicklung basiert auf der Grundlage von häufig beobachteten Datenanfragen an KMU von Kreditgebern, Investoren und Firmenkunden. Dennoch bestehen einige Gemeinsamkeiten zu den anderen ESRS wie etwa die adressierten Nachhaltigkeitsaspekte und die definierten Schlüsselbegriffe (ED ESRS VSME BC29). Ein großer Unterschied besteht allerdings im modularen Aufbau des ED ESRS VSME sowie daraus folgend dem Aufbau des Nachhaltigkeitsberichts. Der ED ESRS VSME umfasst die folgenden drei Module:
- Basismodul,
- narratives Strategien-, Maßnahmen- und Ziele-Modul (Narratives-PAT-Modul),
- Geschäftspartner-Modul (BP-Modul).
Insbesondere für KMU, die durch die ED ESRS VSME an die Nachhaltigkeitsberichterstattung herangeführt werden sollen oder solche, die zunächst in ausgewählten Bereichen und Ambitionsniveaus aktiv sind, ist die Modularisierung vorteilhaft. Jedoch sollten auch freiwillig berichtende KMU perspektivisch alle drei Module anwenden. Vor allem da Anfragen aus der Wertschöpfungskette bzw. von Kreditgebern und Investoren nur so nach Überzeugung der EFRAG zufriedenstellend beantwortet werden können. Dabei bleibt allerdings auch noch abzuwarten, inwiefern der ED ESRS VSME vom Markt akzeptiert wird und sich als Standard für die freiwillige Berichterstattung etabliert.
- Anwendung anderer Rahmenwerke. In der Praxis sind bereits Rahmenwerke wie die Global Reporting Initiative (GRI) oder der Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) weit verbreitet, die viel Flexibilität gewähren. Allerdings sind die GRI Basis für die Entwicklung der ESRS gewesen und der DNK hat angekündigt, die Ausgestaltung der ESRS zu integrieren. Daher scheint eine Orientierung an d...