Leitsatz
1. Die Anforderungen an den nach § 6 Abs. 4 UStG i.V.m. §§ 8ff. UStDV beizubringenden Belegnachweis können nicht durch die Finanzverwaltung um weitere Voraussetzungen, wie z.B. das Erfordernis, die Bevollmächtigung eines für den Abnehmer handelnden Beauftragten belegmäßig nachzuweisen, verschärft werden.
2. Der vom Unternehmer beigebrachte Belegnachweis unterliegt der Nachprüfung durch die Finanzverwaltung. Im Rahmen dieser Prüfung ist nach den allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen zu entscheiden, ob eine vom Vertreter des Abnehmers behauptete Bevollmächtigung besteht. Dabei bestimmt sich die Person des Abnehmers einer Ausfuhrlieferung nach dem der Ausfuhrlieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis.
Normenkette
§ 6 UStG, Art. 15 Nr. 2 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Ein Juwelier verkaufte an K, der im Namen eines im Drittlandsgebiet ansässigen F auftrat, hochwertige Uhren gegen Barzahlung. Nach Ausfuhr gab F die Waren "bei der nächsten Einreise" an K, der sie im Inland verkaufte. Das FA versagte die Steuerbefreiung. Das FG gab der Klage statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 28.09.2006, 16 K 541/03, Haufe-Index 2032504, EFG 2008, 1240).
Entscheidung
Der BFH verwies die Sache an das FG zurück: Liegen – wie im Streitfall – die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 S. 1 UStG vor und hat der Steuerpflichtige den Buch- und Belegnachweis erbracht, ist für die Steuerbefreiung der Lieferung zwar grundsätzlich unerheblich, ob nach der Beförderung in das Drittlandsgebiet aufgrund der Rückbeförderung in das Gemeinschaftsgebiet EUSt zu erheben war und ob die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der Einfuhr nach § 12 der EUSt-Befreiungsverordnung vorlagen.
Im Streitfall bestanden nach dem festgestellten Sachverhalt erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Nachweisangaben. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang feststellen, dass K und nicht F Abnehmer der Lieferungen war, ist nicht im Steuerfestsetzungs-, sondern im Billigkeitsverfahren zu entscheiden, ob eine Steuerfreiheit aufgrund unrichtiger Abnehmerangaben in Betracht kommt, weil der Unternehmer die Unrichtigkeit der Abnehmerangaben nicht erkennen konnte.
Hinweis
1. Die beleg- und buchmäßigen Nachweispflichten in §§ 8 und 13 UStDV sind gemeinschaftskonform. Weitere Nachweise als die, die dort festgeschrieben sind – wie nach Ansicht der Finanzverwaltung stets der Nachweis der Vollmacht, wenn die Ware nicht vom Abnehmer selbst abgeholt wird – darf das FA grundsätzlich nicht verlangen und allein schon bei deren Fehlen die Steuerbefreiung versagen.
2. Beleg- und Buchnachweis haben nur den Charakter eines Anscheinsbeweises. Liegen sie vor und bestehen keine konkreten Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit, darf die Steuerbefreiung beansprucht werden. Das FA darf andererseits deren Richtigkeit jedoch prüfen. Bestehen konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit, obliegt es dem Unternehmer, deren Richtigkeit mit den zulässigen Beweismitteln nachzuweisen.
3. Ergibt sich bei einer Überprüfung der Buch- und Belegangaben nach den allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen aber deren Unrichtigkeit, ist die Lieferung trotz eines formal geführten Nachweises vorbehaltlich besonderer Umstände grundsätzlich steuerpflichtig.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.04.2009 – V R 84/07