Leitsatz

Nachzahlungen zur Rentenversicherung eines Elternteils sind nicht aus sittlichen Gründen zwangsläufig, wenn dessen Rentenansprüche bereits ohne die Nachzahlung so hoch sind, dass sein Lebensunterhalt sowohl gegenwärtig als auch voraussichtlich in Zukunft sichergestellt ist.

 

Normenkette

§ 33 EStG

 

Sachverhalt

Die seit 1991 verwitwete Mutter der Klägerin erhielt im Streitjahr 1994 von der BfA nach Abzug des Krankenversicherungsanteils eine Witwenrente in Höhe von 1 288,79 DM (bis Juni) bzw. 1332,53 DM (ab Juli). Mit Bescheid vom 3.2.1994 hatte die BfA ihr mitgeteilt, dass sie berechtigt sei, als freiwillige Beiträge bei Heiratserstattung 16012,50 DM zur Angestelltenversicherung nachzuzahlen.

Diesen Betrag zahlte die Klägerin am 28.4.1994 für ihre Mutter ein. Aufgrund der Nachzahlung erhält diese seit September 1995 eine zusätzliche eigene Rente in Höhe von 848 DM. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1994 machte die Klägerin vergeblich die Zahlung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend.

Das FA lehnte eine Berücksichtigung ab. Klage und Revision blieben ebenfalls erfolglos.

 

Entscheidung

Das FG habe zu Recht die Nachzahlung zur Rentenversicherung nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anerkannt. Zwar seien nachentrichtete Beiträge nicht schon nach § 33a Abs. 5 EStG vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, da § 33a EStG die Abziehbarkeit von typischen Unterhaltskosten regele. In einem Einmalbetrag nachentrichtete Beiträge zur Rentenversicherung fielen jedoch nicht unter den Anwendungsbereich des § 33a EStG.

Die geltend gemachten Aufwendungen seien der Klägerin aber weder aus rechtlichen, tatsächlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Die gesetzliche Unterhaltspflicht umfasse nicht die Nachzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen. Ein sittlicher Zwang liege ebenfalls nicht vor, weil die Mutter der Klägerin bereits über Rentenansprüche verfügt habe, von denen die Klägerin annehmen durfte, dass sie auch in Zukunft ausreichen würden, um den Lebensbedarf ihrer Mutter zu decken.

 

Hinweis

Werden freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung nachbezahlt und die Geldmittel hierfür den mittellosen Eltern von ihren Kindern zur Verfügung gestellt, so können diese Beträge jedenfalls dann nicht von den Kindern als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn die Einkünfte der Eltern bereits zuvor so hoch waren, dass sie das Existenzminimum abdeckten.

Offen ist demnach weiterhin, ob Versicherungsbeiträge, die dazu dienen, den Eltern eine Rente in Höhe der Sozialhilfesätze zu verschaffen, von den Kindern als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden können. Gegen den Abzug auch in diesem Fall könnte § 33 Abs. 2 EStG sprechen, nach dem ein Abzug als außergewöhnliche Belastung dann nicht in Betracht kommt, wenn es sich bei den Zahlungen ihrer Art nach um Werbungskosten, Betriebs- oder Sonderausgaben handelt. Für die Frage, ob es sich um Sonderausgaben handelt, kommt es auf die Person des Steuerpflichtigen an, dem diese Aufwendungen erwachsen sind. Aus Sicht des Kindes sind die Beiträge zur Rentenversicherung jedoch keine Sonderausgaben. Das Urteil hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen.

Gegen den Abzug auch in Fällen, in denen die Eltern noch über keine den Grundbedarf absichernde Rente verfügen, wird häufig eingewendet, die Nachzahlungen seien deshalb nicht zwangsläufig, weil der Unterhalt der Eltern ja künftig durch Unterhaltsleistungen der Kinder gesichert sei. Dies erscheint problematisch. Zum einen ist ungewiss, ob Kinder den Unterhalt der Eltern auch in der Zukunft gewährleisten können. Zum anderen erscheint fraglich, ob das gesellschaftliche Umfeld nicht mit Unverständnis reagieren würde, wenn wirtschaftlich leistungsfähige Steuerpflichtige ihren Eltern die Mittel für die Beitragszahlungen nicht zur Verfügung stellten, obwohl – wie meist der Fall – durch diese vergleichsweise geringen Beträge die wirtschaftliche Existenz und die Unabhängigkeit der Eltern für die Zukunft dauerhaft gesichert werden kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 7.3.2002, III R 42/99

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