Leitsatz
Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer haben nicht den Charakter von Umsatzsteuer. Ihre Festsetzung verstößt deshalb nicht gegen Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-RL.
Normenkette
§ 233a AO , Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Das FA änderte nach einer Außenprüfung den Umsatzsteuerbescheid der Klägerin und setzte Nachzahlungszinsen gegen die Klägerin fest. Die Klägerin hielt das mit der Begründung, die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer wirke wie eine (weitere) Umsatzbesteuerung, für unzulässig. Ohne Erfolg.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision aus den genannten Erwägungen als unbegründet zurück.
Hinweis
Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-RL verbietet es den Mitgliedstaaten, Steuern, Abgaben und Gebühren beizubehalten oder einzuführen, die den Charakter von Umsatzsteuer haben. Dadurch soll verhindert werden, dass das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaats beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr belasten und gewerbliche Umsätze in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Art und Weise erfassen. Solche steuerlichen Maßnahmen sind nur Steuern, Abgaben und Gebühren, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer aufweisen, auch wenn sie nicht in allen Punkten mit dieser übereinstimmen (vgl. EuGH, Urteil vom 9.3.2000, Rs. C-437/97 – Krankenhausverein Wien –, Slg. I-2000, 1157, Rdnrn. 20, 21).
Diese wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer sind:
- Die Mehrwertsteuer gilt ganz allgemein für alle Umsätze mit Gegenständen und Dienstleistungen.
- Die Mehrwertsteuer ist, unabhängig von der Anzahl der Geschäfte, proportional zum Preis dieser Gegenstände und Dienstleistungen.
- Die Mehrwertsteuer wird auf jeder Stufe der Erzeugung und des Vertriebs erhoben.
- Die Mehrwertsteuer erfasst schließlich den Mehrwert der Gegenstände und Dienstleistungen, d.h. die bei einem Umsatz entstehende Steuer wird unter Abzug der Steuer berechnet, die bei dem vorhergehenden Umsatz entrichtet worden ist.
Weist eine Steuer, Abgabe oder Gebühr auch nur eines dieser wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht auf, ist Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-RL nicht einschlägig.
Nach § 233a AO festgesetzte Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer weisen diese wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht auf. Als steuerliche Nebenleistungen (§ 3 Abs. 3 AO) werden Nachzahlungszinsen nicht allgemein für alle Umsätze mit Gegenständen oder Dienstleistungen und auch nicht auf jeder Produktions- oder Vertriebsstufe festgesetzt. Sie knüpfen nicht am Umsatz, sondern am Unterschiedsbetrag zwischen Änderungsbescheid und geändertem Bescheid an, werden ganz offensichtlich nicht proportional zum Preis der Lieferungen oder sonstigen Leistungen erhoben, sondern nach der Höhe des Unterschiedsbetrags und der Dauer des Zinslaufs. Schon das genügt, sie von einer Abgabe mit umsatzsteuerlichem Charakter zu unterscheiden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.10.2002, V R 81/01