Leitsatz
1. Die Aufbereitung von Lebensmitteln zu einem bestimmten Zeitpunkt in einen verzehrfertigen Gegenstand ist nicht notwendig mit ihrer Vermarktung verbunden und deshalb bei der für die Abgrenzung von Dienstleistungen und Lieferungen erforderlichen Gesamtbetrachtung dem Dienstleistungsbereich zuzurechnen.
2. Ein qualitatives Überwiegen der Dienstleistungen setzt über die Aufbereitung von Lebensmitteln hinaus wenigstens ein weiteres Dienstleistungselement – wie z.B. das Zurverfügungstellen von Verzehrmöglichkeiten – voraus.
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG; Art. 12 Abs. 3, Anhang H Nr. 1 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Die Klägerin verkaufte im Eingangsbereich zu ihren Kinosälen an Verkaufstheken Nahrungsmittel wie Popcorn, Nachos, Süßigkeiten, Hotdogs und Eis.
Das FA meinte, das Kino mit seinen Annehmlichkeiten sei genügend gaststättenähnliche Infrastruktur. Dem FG reichte das allein nicht aus (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.11.2007, 5 K 7371/05 B, Haufe-Index 1842039, EFG 2008, 253).
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG. Die Feststellung eines qualitativen Überwiegens der Dienstleistungen setze zumindest zwei Dienstleistungselemente voraus. Die Klägerin habe lediglich das Popcorn, die Nachos und die Hotdogs verzehrfertig zubereitet, darüber hinaus aber kein weiteres Dienstleistungselement – z.B. Tische und Sitzgelegenheiten für die Einnahme der Speisen – erbracht.
Hinweis
1.§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG bezieht sich – gemeinschaftrechtlich zulässig – auf den Zolltarif zur Bezeichnung der ermäßigt zu besteuernden Gegenstände (u.a. "Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch; Backwaren", "Zubereitungen von Fleisch …" und "verschiedene Lebensmittelzubereitungen").
Das Gemeinschaftsrecht erlaubt den ermäßigten Steuersatz für die Lieferung von "Nahrungs- und Futtermittel …, und üblicherweise für die Zubereitung von Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten ...".
2. Für die Abgrenzung, ob noch eine Lieferung der bezeichneten Gegenstände vorliegt oder ob die Dienstleistungen dem Umsatz das Gepräge geben, hatte der EuGH in zwei nicht den ermäßigten Steuersatz betreffenden Urteilen beispielhaft erwähnt: die Zurverfügungstellung einer Infrastruktur, die Beratung und Information der Kunden, Dienstleistungen von der Zubereitung bis zur Darbietung der Speisen in einem geeigneten Gefäß, die Bedienung bei Tisch, das Abdecken der Tische sowie die Reinigung nach dem Verzehr. Abzustellen war danach, ob die eine Bewirtung kennzeichnenden Dienstleistungen überwiegen. Der BFH entschied, das sei qualitativ (nicht quantitativ) zu verstehen.
Zwar verwendet auch der Zolltarif für Lebensmittelkombinationen (z.B. Fertiggerichte, die der Kunde nur noch verzehrfertig aufbereiten muss) den Begriff der Zubereitung: Insoweit handelt es sich aber lediglich um die Erläuterung, dass auch die Kombination der in der betreffenden Position bezeichneten Grundstoffe mit anderen Nahrungsmitteln oder Zutaten unter diese Position fällt; die Tätigkeit des Zubereitens ist zolltariflich ohne Bedeutung und vor allem auch nicht, ob bei einem Umsatz die Lieferelemente oder die Dienstleistungselemente überwiegen: Bei einem handgefertigten Auto überwiegen die Dienstleistungen; das ändert aber nichts daran, dass Gegenstand des Umsatzes aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers beim Verkauf des Fahrzeugs eine Lieferung und keine Dienstleistung ist. So ist Gegenstand des Umsatzes beim Erwerb von Tiefkühlkost im Laden das Endprodukt (zollrechtlich eine Zubereitung von …) und keine Dienstleistung in Form der Herstellung einer Mahlzeit.
3. Von der Zubereitung im zollrechtlichen Sinn, zu unterscheiden ist die – vom EuGH als kennzeichnend für eine Bewirtungssituation erwähnte – Zubereitung von Lebensmitteln in einen sofort oder zu einem bestimmten Zeitpunkt verzehrfähigen Gegenstand – in eine Mahlzeit. Diese Zubereitung ist nicht notwendig mit der Vermarktung im Lebensmittelhandel verbunden und deshalb bei der Gesamtbetrachtung dem Dienstleistungsbereich zuzurechnen.
4. Dass die Grenzen fließend sind, zeigen die Vielgestaltigkeit der denkbaren Vorgänge und die Streitanfälligkeit im Detail. Praktikabilität und Rechtssicherheit für die Entscheidung von Massensachverhalten, der Aspekt der Wettbewerbsgleichheit sowie der Zweck der Ermäßigung, die von Anfang an den "Verzehr an Ort und Stelle" ausschließen wollte, sprächen dafür, die Grenze bereits bei der Zubereitung von Lebensmitteln als warme Mahlzeit oder das Anrichten von Lebensmitteln für den "Event" (Partyservice) zu ziehen. Der BFH zieht die Grenze weiter und betont, dass zwar als Dienstleistung die Zubereitung als Mahlzeit in die Abwägung einzubeziehen ist, dass ein qualitatives Überwiegen aber erst vorliegt, wenn zum Lieferelement mindestens zwei Dienstleistungen hinzukommen. Darüber lässt sich – wie stets bei der Abgrenzung Lieferung oder sonstige Leistung – trefflich streiten. Eine rundum befriedigende Abgrenzung, die sich nicht lediglich in weiteren Leerformeln erschöpft, wird sich schwerlich finde...