Leitsatz
1. Für die Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG ist zunächst vom einkommensteuerrechtlichen Gewinn auszugehen. Dieser Begriff umfasst auch Verluste.
2. Verluste führen für sich genommen nicht zu Überentnahmen. Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist im Wege teleologischer Reduktion zu begrenzen.
3. Die Bemessungsgrundlage für die nicht abziehbaren Schuldzinsen ist begrenzt auf den Entnahmenüberschuss des Zeitraums von 1999 bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr (entgegen Rz. 11 f. des BMF-Schreibens vom 17. November 2005, IV B 2 ‐S 2144- 50/05, BStBl I 2005, 1019).
Normenkette
§ 4 Abs. 1, Abs. 4a EStG, § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO
Sachverhalt
Der Kläger handelte mit gebrauchten Fahrzeugen. Er erzielte in den Jahren von 1999 bis 2008 sowohl Gewinne als auch Verluste, teilweise entnahm er seinem Betrieb Mittel, in einigen Jahren legte er Mittel ein. Von den im klägerischen Betrieb angefallenen Schuldzinsen ermittelte das FA den gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht als Betriebsausgabe abziehbaren Anteil (BMF-Schreiben vom 17.11.2005, BStBl I 2005, 1019). Hiergegen wandte sich der Kläger. Er sah die Behandlung der Verluste im Rahmen der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen in der Tz. 11 des BMF-Schreibens als fehlerhaft an. Das FG hat die Klage abgewiesen (FG München, Außensenate Augsburg, Urteil vom 17.12.2015, 15 K 1238/14, Haufe-Index 11844745, EFG 2017, 456).
Entscheidung
Die Revision des Klägers war aufgrund der unter den Praxis-Hinweisen dargestellten vom BFH entwickelten neuen Berechnungsmethodik erfolgreich.
Hinweis
Der BFH verwirft in diesem Urteil die Berechnungsmethodik der Finanzverwaltung zur Ermittlung der gemäß § 4 Abs. 4a EStG nicht abziehbaren Schuldzinsen, soweit es um die Behandlung der in früheren Jahren erlittenen Verluste geht. Er legt der Berechnung eine neue Methodik zugrunde, die sich je nach Konstellation zugunsten, aber auch zulasten des Steuerpflichtigen auswirken kann.
1. Nach § 4 Abs. 4a EStG sind betrieblich veranlasste Schuldzinsen nicht abziehbar, sondern dem Gewinn hinzuzurechnen, wenn die Entnahmen die Summe aus Gewinn und Einlagen übersteigen und damit sog. Überentnahmen vorliegen. Die Bemessungsgrundlage für das Abzugsverbot ergibt sich aus der Summe von Über- und Unterentnahmen während einer Totalperiode, beginnend mit dem ersten Wirtschaftsjahr, das nach dem 31.12.1998 geendet hat, bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr.
Die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG beruht auf der gesetzgeberischen Vorstellung, dass der Betriebsinhaber dem Betrieb bei negativem Eigenkapital nicht mehr Mittel entziehen darf als er erwirtschaftet und eingelegt hat.
2. In Bezug auf die Behandlung von Verlusten müssen folgende Konstellationen unterschieden werden:
a) Für die Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG ebenso wie für die der Unterentnahmen des § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG ist zunächst vom einkommensteuerrechtlichen Gewinn auszugehen. Dieser kann auch ein Verlust sein.
b) Im Wege teleologischer Reduktion des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG wird eine Ausnahme hiervon gemacht, da Verluste für sich genommen nicht zu einer Kürzung des Schuldzinsenabzugs führen dürfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige keine Entnahme getätigt hat. Daher darf in einem Verlustjahr bei isolierter Betrachtung dieses Jahres die Überentnahme nicht höher sein als die Entnahme und auch nicht höher als die Differenz zwischen Entnahme und Einlage. Die Überentnahme des aktuellen Wirtschaftsjahres ist damit auf den Entnahmenüberschuss begrenzt. Übersteigen umgekehrt die Einlagen die Entnahmen, wird der Einlagenüberschuss mit dem Verlust verrechnet, sodass der Verlust die Unterentnahme dieses Jahres ggf. bis auf Null mindert.
c) Diese Grundsätze gelten auch bei der periodenübergreifenden Berechnung der Überentnahme nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStG (Addition aller Überentnahmen und Unterentnahmen der Totalperiode), also auch für die Behandlung von Verlusten früherer VZ. In Abweichung von der bisherigen Praxis entnimmt der BFH die folgende Berechnungsmethodik dem § 4 Abs. 4a EStG:
aa) In einem ersten Schritt sind etwaige Verluste bei der Ermittlung der nach § 4 Abs. 4a Satz 3 EStGzu addierenden Über- und Unterentnahmebeträge uneingeschränkt als Bestandteil in die Berechnung einzubeziehen. Rechnerisch gehen sie damit sowohl in die Überentnahme des einzelnen Wirtschaftsjahres als auch in die Bemessungsgrundlage der Totalperiode ein.
bb) Da aber ein Verlust für sich genommen keine Überentnahme begründen darf, ist in einem zweiten Schritt im Wege der teleologischen Reduktion die Bemessungsgrundlage der nicht abziehbaren Schuldzinsen des aktuellen Jahres auf den kumulierten Entnahmenüberschuss der Totalperiode zu begrenzen. Der kumulierte Entnahmenüberschuss errechnet sich dabei aus den Entnahmen der Totalperiode abzüglich der Einlagen der Totalperiode. Deshalb sind sowohl die Entnahmen als auch die Einlagen der Totalperiode (von 1999 bis zum aktuellen Wirtschaftsjahr) zu addieren.
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