Rz. 25
Angesichts des hohen bürokratischen Aufwands, welcher mit der Offenlegung der nichtfinanziellen Erklärung verbunden ist, hat die Gesetzgebung im Rahmen der in § 289c Abs. 3 Nr. 4 HGB geforderten Angaben zu Risiken aus den Geschäftsbeziehungen, Produkten und Dienstleistungen einen doppelten Wesentlichkeitsvorbehalt eingebaut. So müssen die Risiken wesentlich sein und gleichzeitig sehr wahrscheinlich schwerwiegende negative Auswirkungen auf die berichtspflichtigen Aspekte aktuell oder zukünftig haben, um einen übermäßigen Verwaltungsaufwand für kleine und mittlere Unternehmen zu verhindern. Gleichwohl erscheint die Erfüllung dieser Zielsetzung bereits jetzt fraglich, da aufgrund der nunmehr gestiegenen Anforderungen an die CSR-Berichterstattung von einer regulatorischen "Aufrüstung" zivilrechtlicher Vertragsbeziehungen – beispielsweise im Rahmen der Lieferkette – für den Mittelstand auszugehen ist, da schließlich zunächst überall nach diesen möglichen Risiken gesucht werden muss, bevor eine Bewertung der Relevanz erfolgen kann. In diesem Zusammenhang besteht unweigerlich eine mittelbare Belastung aller am Produktions- und Lieferprozess beteiligten Unternehmen, welche ursprünglich nicht von der neuen Berichtspflicht betroffen sein sollten. Dabei scheinen insbesondere in Bezug auf das Wesentlichkeitskriterium Anwendungsprobleme im Rahmen der Wertschöpfungskette offenkundig vorprogrammiert. Mittelständische Unternehmen, welche bereits jetzt – teilweise überproportional – mit Berichtspflichten belastet werden, könnten sich diesbezüglich einem Zielkonflikt ausgesetzt sehen, die CSR-Richtlinie als politisches Steuerungsinstrument abzutun. Zudem ist zu klären, ob die CSR-Informationen auch selber freiwillig offengelegt oder lediglich an das zur Berichterstattung verpflichtete Unternehmen geliefert werden. Die einheitliche und konsistente Erhebung nichtfinanzieller Daten im Kontext des gesamten Wertschöpfungsprozesses könnte vor allem die mittelständischen Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Gerechtfertigt kann diese zusätzliche Pflicht jedoch nur dann sein, wenn diesem ein adäquater Nutzen gegenübersteht. Um die höheren Belastungen hinsichtlich der Offenlegung nachhaltigkeitsrelevanter Angaben zu reduzieren, könnte der Mittelstand beispielsweise von einer angemessenen Förderung bzw. Unterstützung durch die Politik bei der Implementierung von CSR-Aspekten in die Berichterstattung profitieren.
Rz. 26
Schon im Gesetzgebungsprozess wurde die Ausweitung der Berichterstattungspflicht ebenso auf andere Großunternehmen intensiv diskutiert, da beispielsweise in Deutschland lediglich knapp über 500 Unternehmen von der Berichtspflicht betroffen sind. Auch auf Ebene der EU ist inzwischen eine Ausweitung auf einen größeren Anwenderkreis vereinbart (s. Rz. 1f). Schließlich ist wenig plausibel, dass sich das Ziel der Integration nachhaltigkeitsorientierter Unternehmensführung nur auf bestimmte Unternehmen von öffentlichem Interesse beschränken soll. Daher ist davon auszugehen, dass neben der dargestellten, schon jetzt zu beachtenden, indirekten Auswirkung auch auf viele andere Unternehmen außerhalb des eigentlichen Verpflichtungskreises vergleichsweise schnell (politisch geeinigt wurde sich auf 2025) eine deutliche Ausweitung des Kreises der anwendungspflichtigen Unternehmen zur Abgabe einer nichtfinanziellen Berichterstattung erfolgen wird. Letztendlich ist mit Spannung abzuwarten, inwieweit sich insbesondere mittelständische Unternehmen mittel- bis langfristig der neuen Berichtspflicht entziehen werden können – die EU plant offenbar eine Befreiungsmöglichkeit von der Angabe von Informationen an verpflichtete Unternehmen bis zum Jahr 2028. Unter Berücksichtigung einer angemessen Skalierung der gesetzlichen Vorgaben wäre eine Ausstrahlung auf alle Unternehmen wünschenswert, da nachhaltiges Handeln für alle am Wertschöpfungsprozess beteiligten Unternehmen als selbstverständliche Pflicht anzusehen ist. Ob das aber über den Umweg der direkten oder indirekten öffentlichen Berichterstattung erfolgen sollte, scheint doch sehr fraglich.
Rz. 26a
Vor dem Hintergrund der drängenden Zeit zur Abmilderung des Klimawandels kann Klimaschutz nicht nur Sache der börsennotierten Unternehmen sein. Allerdings ist die Zielgruppe und auch die Wirkung der Berichterstattung eine andere: Die börsennotierten Unternehmen ringen sowohl um Eigen- als auch um Fremdkapital, während die nicht an der Börse in geregelten Märkten gehandelten Unternehmen oft vorrangig um Fremdkapital werben. Bereits jetzt werden die im Unternehmensregister veröffentlichten Rechnungslegungsunterlagen – zumal häufig erst mehr als einem Jahr nach dem Stichtag verfügbar – viel seltener abgerufen, als dies bei börsennotierten Unternehmen der Fall ist. Da die Regulierung über den Kapitalmarkt fehlt, stellt sich zumindest die Frage, ob eine Ausweitung der nichtfinanziellen Berichtpflichten ein geeignetes Regulativ ist, um nicht-börsennotierte Gesellschaften zu...