Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung von der Bauabzugssteuer trotz steuerlicher Pflichtverletzungen in der Vergangenheit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG erteilt wird, weil der zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint, darf dem Steuerpflichtigen die Verletzung von steuerlichen Pflichten, die er vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30. August 2001 begangen hat und die in keinem Bezug zum Zweck des Gesetzes stehen, nicht entgegen gehalten werden.

2. Hier: Erteilung einer befristeten Freistellungsbescheinigung für eine mittelständische, im Baubereich tätige GmbH, die seit ihrer Gründung Steuererklärungen (Umsatzsteuervoranmeldungen) nicht oder verspätet abgegeben hat, in der Vergangenheit einmal im Verdacht der illegalen Beschäftigung von Arbeitnehmern stand und nach wie vor erhebliche Steuerrückstände hat und diese nur unzureichend tilgt.

 

Orientierungssatz

Bei der Beantwortung der Frage, ob die Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG erteilt wird, weil der zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint, darf dem Steuerpflichtigen die Verletzung von steuerlichen Pflichten, die er vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe vom 30. August 2001 begangen hat und die in keinem Bezug zum Zweck des Gesetzes stehen, nicht entgegen gehalten werden.

Beschwerde zugelassen

 

Normenkette

EStG 2001 § 48b Abs. 1 S. 1; FGO § 114 Abs. 1 S. 2; EStG 2001 § 48b Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin (Ast.) begehrt die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG.

Gegenstand der im Jahre 19.. gegründeten Ast. ist die Vermittlung von C-Aufträgen sowie der Betrieb eines eigenen C-Unternehmens. Am Stammkapital von … DM sind Herr A. zu … DM und Herr B. zu … DM beteiligt. Geschäftsführer war zunächst A.; nach Angaben der Ast. ist ab ….2002 B Geschäftsführer.

Nach ihren Jahresabschlüssen erzielte die Ast. in den Jahren 19.. – 19.. Umsätze zwischen ca. … DM und … DM. In den Jahren 19.. – 19.. erwirtschaftete sie Jahresfehlbeträge i.H.v. … DM bis ca. … DM, 19.. gab sie einen Gewinn von ca. … DM an. Steuererklärungen gab die Ast. nicht oder verspätet ab. Vielfach ergingen zunächst Steuerbescheide aufgrund von geschätzten Besteuerungsgrundlagen. Die Veranlagungen aufgrund nachgereichter Steuererklärungen führten zu Körperschaftsteuer für 19..–19.. in Höhe von … DM, für 19.. in Höhe von … DM. Nach einem Auszug in den Steuerakten bestehen Steuerrückstände i.H.v. … Euro zzgl. Säumniszuschläge i.H.v. … Euro (Stand: … Februar 2002).

Unter dem … 2001 beantragte der Antragsgegner (Ag.) wegen Abgabenrückständen i.H.v. ca. … DM die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Ast. Aufgrund eines anderen Antrags war bereits ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt gewesen; die Bestellung wurde jedoch wieder aufgehoben. Über den Insolvenzantrag des Ag. ist noch nicht entschieden.

Unter dem … 2002 beantragte die Ast. die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG. Mit Bescheid vom … 2002 lehnte der Ag. den Antrag mit der Begründung ab, die Ast. habe angemeldete und/oder festgesetzte und fällige Steuern nicht bezahlt. Über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Die Ast. hat nunmehr bei Gericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie gibt an, seit Jahresanfang keine Aufträge mehr zu erhalten, weil sie bei ihren Auftraggebern die Freistellungsbescheinigung nicht vorlegen könne. Zudem zahlten Auftraggeber auf bereits ausgeführte und abgerechnete Leistungen mit der Vorstellung nicht, dass ein Unternehmen ohne Freistellungsbescheinigung bald insolvent sein würde und sie dadurch Geld sparen könnten. Ohne Freistellungsbescheinigung werde ihr, der Ast., die Existenzfähigkeit genommen. Die Ast. legt Schriftverkehr mit dem Ag. vor, mit dem sie offenbar geltend machen will, die Steuerschulden beruhten auf überhöhten Schätzungen; die Umsatzsteuervoranmeldungen und die Steuererklärungen würden nunmehr eingereicht oder seien bereits eingereicht worden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr eine auf drei Jahre befristete Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG zu erteilen.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß

den Antrag abzulehnen, hilfsweise die Freistellungsbescheinigung nur auftragsbezogen und gegen Sicherheitsleistung (Forderungsabtretung aus dem Auftrag) anzuordnen.

Die Erteilung der begehrten Freistellungsbescheinigung auf drei Jahre könne schon deshalb nicht ergehen, weil damit die Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorweggenommen würde. Die Bescheinigung sei zu versagen, weil erhebliche Steuerrückstände und demzufolge zu sichernde Steuerrückstände bestünden. Die Erteilung einer ggf. auftragsbezogenen Freistellungsbescheinigung wäre nur möglich, wenn Zahlungsvereinbarungen getroffen worden wären, die jedoch derzeit nicht bestünden und die in der Vergangenheit vo...

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