vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [I R 54/23)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für eine grenzüberschreitende Funktionsverlagerung
Leitsatz (redaktionell)
Eine Funktionsverlagerung liegt nicht vor, wenn weder Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile oder Geschäftschancen übertragen werden noch eine kausale Verknüpfung zwischen der Übertragung von Vorteilen im weitesten Sinne und der Übertragung der Befähigung, eine Funktion auszuüben, besteht.
Im vorzeitigen Verzicht auf die Nutzung eines Lizenzvertrags aus eigenem Recht liegt keine verhinderte Vermögensmehrung, wenn dieser Verzicht durch eine der Höhe nach angemessene Entschädigung ausgeglichen wird.
Normenkette
AStG § 1 Abs. 3 S. 9; FVerlV § 1 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob in Folge einer im Konzern, dem die Klägerin angehört, zum 1. Januar 2011 erfolgten Umstrukturierung und Übertragung von Aktivitäten und Risiken auf eine schweizerische Gesellschaft eine Erhöhung der Einkünfte um xxx Euro vorzunehmen ist. Dabei ist insbesondere streitig, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung sowie eine Funktionsverlagerung anzunehmen und ob hierfür ein Transferpaket anzusetzen ist.
Die Klägerin als Organträgerin deutscher Organgesellschaften ist international eingebunden in die „A-Gruppe“. Konzernobergesellschaft ist die in den USA ansässige A Inc. Sie hält über verschiedene Gesellschaften 100 % der Anteile an der B (USA). Über diverse andere Gesellschaften hält sie außerdem 100 % der Anteile an der Klägerin, der deutschen Konzernobergesellschaft. Diese ist innerhalb von Deutschland ebenfalls an diversen weiteren Gesellschaften beteiligt.
In Deutschland operativ tätig waren Ende 2010 die Gesellschaften W, X, Y und Z, die jeweils unterschiedliche Produkte herstellten und vertrieben.
Die dafür benötigten immateriellen Wirtschaftsgüter (insbesondere Patente, Designs und Marken für die Herstellung und den Vertrieb der Produkte der A-Gruppe) standen und stehen sämtlich im Eigentum der B und wurden den operativen deutschen Gesellschaften ebenso wie den weiteren europäischen Gesellschaften der A-Gruppe im Wege eines nicht exklusiven Lizenzvertrages zur Verfügung gestellt. Die operativen deutschen Gesellschaften verfügten demgegenüber nicht über eigene immaterielle Wirtschaftsgüter dieser Art. Die immateriellen Wirtschaftsgüter wurden zum Teil von der B und zum Teil durch die Gesellschaft M (Großbritannien) entwickelt. Die deutschen Gesellschaften waren und sind an der Entwicklung der immateriellen Wirtschaftsgüter grundsätzlich nicht beteiligt.
Bis zum Streitjahr bestand ein zuletzt mit Wirkung zum 1. Januar 2009 abgeschlossener Lizenzvertrag zwischen der B und allen operativen europäischen Gesellschaften der Gruppe, also auch den operativen deutschen Gesellschaften. Auf der Grundlage dieses Lizenzvertrages waren die operativen deutschen Gesellschaften berechtigt, für die Fertigung und den Vertrieb der Produkte auf nicht exklusiver Basis Patente (sämtliche Erfindungen, Patente, Patentanmeldungen, Fortentwicklungen, Neubeantragungen), Markenrechte (sämtliche eingetragenen und nicht eingetragenen Warenzeichen, Handelsnamen, Dienstleistungsmarken, Handelsaufmachungen, insbesondere die A-Dachmarke), eingetragene Designs sowie Know-how und Show-how (Technologien, Geschäftsgeheimnisse, Prozesse, Formeln, technische Informationen, Daten, Zeichnungen, Pläne, Spezifikationen, Rezepte, Berichte und sämtliches sonstige allgemeine und spezielle Wissen, Erfahrungen, Techniken und Informationen) zu nutzen. Damit umfasste der Lizenzgegenstand sämtliche Bereiche der betrieblichen Leistungserstellung, d.h. sowohl den Produktionsbereich als auch den Vertriebsbereich. Als Gegenleistung zahlten die operativen deutschen Gesellschaften eine Lizenzgebühr in Höhe von x % ihrer Nettoumsätze an die B.
Der Lizenzvertrag sah eine Laufzeit bis zum 1. Januar 2013 vor, die sich bei Nichtkündigung jeweils um ein weiteres Jahr verlängerte.
Die wesentlichen strategischen Entscheidungen hinsichtlich der Produktions- und Vertriebsprozesse der operativen deutschen Gesellschaften traf die französische C, bei der das Leitungspersonal der europäischen A-Gruppe angestellt war. Im Einzelnen betrafen diese von der C ausgeübten Aktivitäten z.B. die Festlegung der Unternehmensstrategie, die Entscheidung über Investitionen und Produktportfolios der deutschen Gesellschaften, die mittel- und langfristige Produktions- und Kapazitätsplanung sowie die zentrale Verhandlung von europaweiten Beschaffungsverträgen mit den Rohstofflieferanten und die Betreuung der Großkunden.
Die C war als Dienstleistungsgesellschaft ausgestaltet, die ihre Kosten nach einem festgelegten Umlageschlüssel auf die einzelnen operativen europäischen Gesellschaften der Gruppe verteilte. Hierbei bestand ein Dienstleistungsvertrag zwischen der Klägerin und der C sowie ein Unterdienstleistungsvertrag zwischen der Klägerin und den weiteren operativen deutschen Gesellschaften der Grupp...