Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufliche Veranlassung von Umzugskosten nur bei einer arbeitstäglich mindestens einstündigen Fahrzeitersparnis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine berufliche Veranlassung für einen Umzug ist zu bejahen, wenn der erforderliche Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sich täglich um mindestens eine Stunde vermindert.

2. Dem Gesichtspunkt der mindestens einstündigen Fahrzeitersparnis ist ein solches Gewicht beizumessen, dass private Motive im Rahmen des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG generell in den Hintergrund treten.

3. Wird die erforderliche Wegezeitersparnis von täglich einer Stunde nicht an allen Arbeitstagen erreicht, spricht das gegen die berufliche Veranlassung der Umzugskosten.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1

 

Streitjahr(e)

1997

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.05.2003; Aktenzeichen VI B 28/03)

 

Tatbestand

Streitig ist die Abzugsfähigkeit von Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Im Streitjahr 1997 bewohnten sie bis zum 30.04. eine Mietwohnung in Itzum. Am 01.05.1997 verlegten sie ihren Wohnsitz nach Giesen. Der Kläger war während des gesamten Kalenderjahres 1997 in Hannover beschäftigt. Er benutzte für die Fahrten von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte seinen eigenen Pkw. In der Einkommensteuererklärung beantragte der Kläger, die Aufwendungen für den Umzug in Höhe von 11.528 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften steuermindernd zu berücksichtigen. Im Einkommensteuerbescheid vom 30.09.1998 erkannte das beklagte Finanzamt die Umzugskosten nicht als Werbungskosten an. Hiergegen wendeten sich die Kläger mit ihrem Einspruch vom 04.10.1998. Dieser Einspruch blieb jedoch erfolglos. Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren aus dem Einspruchsverfahren weiter.

Zur Begründung tragen sie Folgendes vor: Anfang 1997 habe der ehemalige Vermieter Eigenbedarf geltend gemacht. Wegen der räumlichen und verkehrsgünstigen Anbindung zur Arbeitsstätte in Hannover hätten sich die Kläger für einen Umzug nach Giesen entschieden. Dieser Umzug sei ausschließlich beruflich veranlasst gewesen, da sich hierdurch die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 44 bzw. 52 km auf 29 km verkürzt habe. Hinsichtlich der Fahrt von Itzum nach Hannover habe der Kläger unregelmäßig je nach Verkehrssituation zwei verschiedene Fahrstrecken benutzt:

1. Fahrstrecke:

Itzum, Goldene Hufe

Senator-Braun-Allee

Berliner Straße

A 7

Hannover-Anderten

Südschnellweg

Hildesheimer Straße

Hannover, Im Haspelfeld.

2. Fahrstrecke:

Itzum, Goldene Hufe

Heinde

Autobahnauffahrt, Hildesheimer Börde

A 7

Hannover-Anderten

Südschnellweg

Hildesheimer Straße

Hannover, Im Haspelfeld.

Die tägliche Zeitersparnis betrage mehr als eine Stunde. Sie resultiere daraus, dass bei der bisherigen täglichen Fahrstrecke von Itzum nach Hannover ein Anteil von 10 km auf den Stadtverkehr in Hildesheim entfalle. Gerade diese ersten 10 km hätten dazu beigetragen, dass für die Einfachfahrt (Hinfahrt) der Zeitaufwand aus den Erfahrungen der Vergangenheit ca. 50 – 70 Minuten betragen habe. Wegen der günstigeren Straßenführung sei der Zeitbedarf auf der Rückfahrt etwas günstiger. Die Fahrt von Giesen nach Hannover habe hingegen nicht mehr die Probleme des städtischen Verkehrs. Aufgrund der sehr günstigen Verkehrsanbindung von Giesen nach Hannover werde grundsätzlich nur eine reine Fahrzeit von ca. 20 – 25 Minuten für die einfache Fahrt benötigt.

Die vom Beklagten zugrunde gelegte Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 50 km/h sei gerade für den innerstädtischen Verkehr zur sog. Rush Hour völlig unrealistisch. Bei dem Arbeitgeber des Klägers, der Hannoverischen landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, betrage die gleitende Arbeitszeit zwischen 6.30 und 8.30 Uhr und zum Arbeitszeitende zwischen 15.00 und 18.00 Uhr. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Fahrstrecke nach Hildesheim hinein bzw. durch Hildesheim hindurch auf einer einspurigen und bisher nicht ausgebauten Strecke der Marienburger Straße verlaufe. In dem Bereich dieser Straße befänden sich eine Vielzahl von Lichtzeichenanlagen für den Querverkehr sowie den Fußgängerverkehr. Für den Kläger stelle die Wegzeitverkürzung, insbesondere das Ersparen des Durchfahrens einer ganzen Großstadt wie Hildesheim jeden Morgen und jeden Abend eine merkliche Erleichterung dar. Zu berücksichtigen sei, dass der neue Wohnort in Giesen über den Messeschnellweg eine sehr kurze Anbindung an den südlichen Bereich von Hannover habe.

Die Fahrzeitverkürzung habe sich nach dem regelmäßigen Arbeitstag zu richten und nicht nach den Daten eines sog. Routenplaners, der die unterschiedliche Belastung der Verkehrswege am Wochenende oder an Feiertagen und innerhalb der Tageszeit werktäglich völlig außer Acht lasse und vielmehr eine durchschnittliche innerörtliche Geschwindigkeit von vielleicht 30 oder 40 km zugrunde lege.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 30.09....

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