rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Arbeitnehmereigenschaft der Verteiler kostenloser Anzeigenblätter. Lohnsteuerfestsetzung 4-7/97

 

Tenor

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Zusteller von Anzeigenblättern sowie die Kontrolleure, die die ordnungsgemäße Zustellung überwachen, Arbeitnehmer der Klägerin sind.

Die Klägerin betreibt den Vertrieb und die Zustellung von Druckerzeugnissen, u.a. seit 1997 auch die Zustellung des Verlagsobjektes „…”. Dabei handelt es sich um ein sog. Anzeigenblatt, das mittwochs mit einer Auflage von ca. 80.000 Stückund sonntags mit einer Auflage von ca. 105.000 Stück in … und Umgebung kostenlos an die Haushalte verteilt wird.

Die Anzeigenblätter stehen mittwochs ab ca. 14.00 Uhr und sonntags ab ca. 7.00 Uhr zur Verteilung zur Verfügung. Mit der Zustellung des Blattes sind ca. 500 Zusteller betraut. Sie haben mit der Klägerin eine Agenturvertrag genannte Vereinbarung (Bl. 13 Gerichtsakte – GA) geschlossen. Nach § 1 übernimmt der Zusteller „unter Wahrung der Selbständigkeit … als selbständiger Unternehmer i.S.d. HGB die Zustellung der in § 2 bezeichneten Druckerzeugnisse”. Dabei ist jedem Zusteller ein Bezirk zugewiesen, in dem er die Druckerzeugnisse an sämtliche Haushalte, Handels- und Gewerbebetriebe, Behörden und sonstige Einrichtungen zu verteilen hat. Nach § 3 hat der Zusteller im Krankheitsfall und bei Verhinderung, sofern er die Verteilung nicht durch eine Ersatzperson vornehmen lässt, die Klägerin sofort zuverständigen. Der Zusteller haftet für die ordnungsgemäße Verteilung der Druckerzeugnisse durch seinen Ersatzmann. § 4 des Vertrages sieht eine Schadensersatzpflicht des Zustellers bei nicht vertragsgemäßem Verhalten vor. Die Vergütung richtet sich nach der Zahl der ausgetragenen Druckerzeugnisse. Wegen der Einzelheiten der vertraglichen Vereinbarungen mit den Zustellern und der im wesentlichen gleichlautenden Vereinbarungen mit den Kontrolleuren, die allerdings eine monatliche Vergütung erhalten, wird auf die von der Klägerin vorgelegten Formulare (Bl. 13, 14 GA) verwiesen. Über die im Vertrag festgelegte Vergütung hinaus können die Kontrolleure im Rahmen von Zusatz- oder Sonderkontrollen auf Stundenbasis zuzüglich Kilometergeld Sondervergütungen abrechnen.

Der Beklagte sieht in den Zustellern und Kontrolleuren Arbeitnehmer der Klägerin, für die die Klägerin Lohnsteuern anzumelden und abzuführen hat. Mit Bescheiden über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge vom 29.10.1997 für das zweite Vierteljahr 1997 und für Juli 1997 (Bl. 49, 53 Lohnsteuerarbeitgeberakte – LStA) setzte der Beklagte abweichend von der Anmeldung Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag auch für die an die Zusteller und Kontrolleure gezahlten Vergütungen fest. Hiergegen richtet sich die am 20.11.1997 beim Finanzamt angebrachte Sprungklage. Der Beklagte stimmte der ihm am 20.01.1998 zugestellten Sprungklage mit einem am 20.02.1998 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz zu (Bl. 18, 19 GA).

Die Klägerin meint, die Zusteller und Kontrolleure seien Selbständige. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalles handele es sich bei ihnen nicht um Arbeitnehmer. Es fehle die persönliche Abhängigkeit von der Klägerin. Da die Zusteller nur verpflichtet seien, die Druckerzeugnisse am Erscheinungstag zu verteilen, verbleibe ihnen ein Zeitraum von mehr als 10 Stunden, wodurch es an einer Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeitund Inhalt der Tätigkeit mangele. Es sei keine feste Arbeitszeit vereinbart. Dass die Tätigkeit gleichbleibend im zugeteilten Zustellbezirk ausgeübt werde, geschehe nur, um Überschneidungen zu vermeiden, und sei mit der Tätigkeit eines Arbeitnehmers, z.B. in Büroräumlichkeiten, nicht vergleichbar. Die Vergütungen der Zusteller bewegten sich zwar regelmäßig in einem bestimmten Rahmen, doch könnten sie durch die Übernahme weiterer Bezirke und den Einsatz etwaiger Transportmittel selbst über die Höhe der ihnen zufließenden Gewinne entscheiden.

Ansprüche auf Urlaub, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Überstundenvergütung oder auf sonstige Sozialleistungen seien nicht vereinbart. Den zeitlichen Umfang der Dienstleistungen bestimmten die Zusteller selbst, weil lediglich ein Erfolg, nicht aber eine Dienstleistung geschuldet werde. Zusteller und Kontrolleure könnten und müßten völlig selbständig über die Organisation und Durchführung ihrer Tätigkeit entscheiden. Durch die Möglichkeit, weitere Zustellbezirke zu übernehmen und den Einsatz etwaiger Transportmittel trügen die Zusteller auch ein nicht unerhebliches Unternehmerrisiko. Dadurch könnten sie, wenn auch in relativ geringem Umfang, auch Unternehmerinitiative entfalten. Der geringe Kapitaleinsatz sei nur auf die Art der Tätigkeit zurückzuführen und lasse keinen Schluss auf eine Arbeitnehmertätigkeit zu. Die Zusteller und Kontrolleure seien nicht verpflichtet, Arbeitsmittel zu beschaffen, weil praktisch keine Arbeitsmittel für die Zustellung der Anzeigenblätter benötigt würden. Es gebe ke...

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