Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine verfassungswidrige Verletzung schutzwürdigen Vertrauens durch die rückwirkende Anwendung des § 5a Abs. 4 S. 5 bis 7 EStG
Leitsatz (redaktionell)
Keine verfassungswidrige Verletzung schutzwürdigen Vertrauens durch die rückwirkende Anwendung des § 5a Abs. 4 S. 5 bis 7 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugssteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (AbzStEntModG) vom 02.06.2021 (BGBl. I 2021, 1259) gemäß § 52 Abs. 10 Satz 4 EStG.
Normenkette
EStG § 5a Abs. 4 S. 5, § 6 Abs. 3, § 52 Abs. 10 S. 4; GG Art. 20 Abs. 3
Streitjahr(e)
2015
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der Beteiligungseinkünfte der Klägerin an der P-KG (Schifffahrtsgesellschaft) im Veranlagungszeitraum (VZ) 2015.
Die Klägerin hielt eine Kommanditbeteiligung an der im Jahr 1996 gegründeten P-KG. Gegenstand des Unternehmens war der Bau des Containerschiffes MS „P“ sowie der Betrieb dieses Schiffes für gemeinschaftliche Rechnung. Die Gesellschaft ermittelte ihren Gewinn ab dem Jahr 2000 nach der Tonnagebesteuerung gemäß § 5a EStG.
Ursprünglich war U als Kommanditist mit einer Einlage in Höhe von 200.000 € an der Schifffahrtsgesellschaft beteiligt. Für ihn war ein Anteil an dem Unterschiedsbetrag für das Seeschiff zum 31.12.1999 in Höhe von 110.000 € festgestellt worden. U übertrug seine Kommanditbeteiligung zum 01.01.2007 unentgeltlich auf seine Tochter W. Diese wiederum übertrug die Kommanditbeteiligung im Juni 2014 mit Übertragungsvertrag unentgeltlich auf die Klägerin. Der Klägerin wurde sodann der ursprünglich für U festgestellte Unterschiedsbetrag in Höhe von 110.000 € als Rechtsnachfolgerin zugerechnet.
Mit Einbringungsvertrag vom … 08.2015 brachte die Klägerin ihren Kommanditanteil an der Schifffahrtsgesellschaft in Höhe von 200.000 € im Wege der Sacheinlage zum 30.09.2015 zu Buchwerten gemäß § 24 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG) in die P-Beteiligungsgesellschaft mbH Co. KG (Gesamtkapital: 10.100 €) ein. An der P-Beteiligungsgesellschaft mbH Co. KG als aufnehmender Gesellschaft waren die Klägerin und U jeweils mit einer Einlage in Höhe von 100 € beteiligt.
Der Beklagte erließ zunächst im Mai 2017 erklärungsgemäß einen gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid für 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Schifffahrtsgesellschaft.
Im Anschluss führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung bei der Schifffahrtsgesellschaft eine Außenprüfung (Ap) für die Jahre 2012 bis 2015 durch und gelangte u.a. zu der Feststellung, dass durch die Einbringung des Kommanditanteils der Klägerin in die P- Beteiligungsgesellschaft mbH Co. KG eine doppelstöckige Struktur entstanden sei, bei der die Gesellschafter der (neuen) Obergesellschaft (P-Beteiligungsgesellschaft mbH Co. KG) über diese mittelbar an der Untergesellschaft (Schifffahrtsgesellschaft) beteiligt blieben. Aufgrund der Verminderung der Beteiligung der Klägerin an der Untergesellschaft sei der Tatbestand des § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG erfüllt mit der Folge, dass der Unterschiedsbetrag im Zeitpunkt der Änderung der Beteiligungsverhältnisse entsprechend der Änderung aufzulösen sei. Die Ap rechnete, ausgehend von einer 1%-igen Beteiligung der Klägerin (100 €/ 10.000 €), einen Unterschiedsbetrag für 2015 i.S.d. § 5a Abs. 4 EStG in Höhe von 108.900 € (Unterschiedsbetrag: 110.000 € x 99% = 108.900 €) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb der Klägerin hinzu. Mit gemäß § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid für 2015 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom ...08.2019 setzte der Beklagte die Prüfungsfeststellungen um und rechnete der Klägerin den aufgelösten Unterschiedsbetrag i.S.d. § 5 a Abs. 4 Satz 1 nach § 5a Abs. 4 Satz 3 EStG i.H.v. 108.900 € den laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb hinzu.
Gegen diesen Feststellungsbescheid legte die Schifffahrtsgesellschaft Einspruch ein und trug unter Hinweis auf Rn. 28 des BMF-Schreibens vom 31.10.2008 vor, dass die Einbringung des Anteils der Klägerin gemäß § 24 UmwStG zu Buchwerten erfolgt sei, so dass § 5a Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG keine Anwendung finde. Ergänzend beantragte sie die erfolgsneutrale Auflösung des Unterschiedsbetrages bei der Klägerin. Zur Begründung führte sie aus, dass der auf die von der Klägerin übertragenen Anteile entfallende Unterschiedsbetrag ausweislich des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28.11.2019, IV R 28/19, BFH/NV 2020, 412 bereits im Rahmen der Schenkung des U an seine Tochter W im Jahr 2007 hätte versteuert werden müssen.
Nachdem der Beklagte keine Entscheidung über den Einspruch der Schifffahrtsgesellschaft getroffen hatte, erhob die Klägerin am Anfang Juni 2021 Untätigkeitsklage i.S.d. § 46 Abs. 1 FGO mit dem Begehren, den streitbefangenen Unterschiedsbetrag nicht bei ihr aufzulösen. Der ursprünglich für den Schenker der Schiffsbeteiligung festg...