rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für den Bezug des „Handelsblatt” als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Einkommensteuer 1995
Leitsatz (amtlich)
Aufwendungen für den Bezug des „Handelsblatt” sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar, wenn der Steuerpflichtige es ausschließlich bzw. nahezu ausschließlich zum Zwecke der Bildung von Wertpapiervermögen und daraus erzielter Einnahmen aus Kapitalvermögen hält.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1 S. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 1
Tenor
Die Steuer wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom. Oktober 1997 und Änderung des Bescheids vom …. Juli 1997 auf 7.640 DM festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird Vollstreckungsnachlaß … gewährt.
Tatbestand
Im Rahmen der (Zusammen-)Veranlagung zur Einkommensteuer für 1995 ist streitig, ob Aufwendungen für den Bezug der Zeitschrift „Handelsblatt” als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG –) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) oder als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG (Steuerberatungskosten) abziehbar sind.
Der Kläger, ein Beamter i.R., und seine im 1998 verstorbene Ehefrau, deren Alleinerbe er geworden ist, erzielten im Streitjahr u. a. Einkünfte aus Kapitalvermögen (Aktien usw.) von insgesamt ca. 22.000 DM. Sie hatten bei dem Beklagten (Finanzamt – FA –) vergeblich beantragt, die Aufwendungen für den Bezug des „Handelsblatt” in Höhe von 309 DM zum Werbungskosten- bzw. Sonderausgabenabzug zuzulassen.
Den Einspruch wies das FA zurück. Dem Werbungskostenabzug stehe das Aufteilungs- und Abzugs verbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entgegen. Der Sonderausgabenabzug scheitere daran, daß es sich bei dem „Handelsblatt” nicht um Steuerfachliteratur, sondern um allgemeininteressierende Wirtschaftsliteratur handele.
Der Kläger begründet seine Klage wie folgt: Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in den Urteilen vom 12. November 1982 VI R 193/79 (Der Betrieb 1983 S. 372) und vom 7. Juli 1989 IV R 128/88 (Bundessteuerblatt – BStBl – 1990 II, 19) festgestellt, daß sich aus dem objektiven Charakter des „Handelsblatt” – anders als bei typischen Tageszeitungen – nicht die Vermutung ableiten lasse, es sei auch aus Gründen der Lebensführung angeschafft worden. Dabei spiele es keine Rolle, ob der jeweilige Leser an allen Teilbereichen der Zeitschrift Interesse habe. Die Bezugs kosten seien deshalb sowohl dem Einkünfteerzielungsbereich (Kapitalvermögen) als auch den Sonderausgaben/Steuerberatungskosten als Informationsquelle für allgemeine Steuerrechtsfragen zuzuordnen. Das Aufteilungs- und Abzugsverbot komme nicht zur Anwendung.
Der Kläger beantragt,
die Steuer unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom …. Oktober 1997 und Änderung des Bescheids vom …. Juli 1997 so weit herabzusetzen, als sie sich bei Abzug weiterer Werbungs- bzw. Steuerberatungskosten von 309 DM mindert.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält an seiner im Einspruchsbescheid dargelegten Rechtsauffassung fest.
Der Senat hat den Kläger eingehend zu der Art und Weise seiner Nutzung des „Handelsblatt” angehört. Wegen der Einzelheiten seiner Ausführungen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Aufwendungen für den Bezug des „Handelsblatt” sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar.
Nach den Ausführungen des BFH in den Urteilen vom 12 – November 1982 VI R 193/79 und vom 19. Januar 1996 VI R 64/95 (BFH/NV), denen der erkennende Senat im wesentlichen folgt, sind die Aufwendungen für den Bezug des „Handelsblatt” – anders als bei typischen Tageszeitungen – nicht ohne weiteres unter Hinweis auf das Aufteilungs- und Abzugs verbot des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen. Das „Handelsblatt” unterscheidet sich von einer typischen Tageszeitung nämlich schon dadurch, daß es einmal nur börsentäglich, also nur an den reinen Arbeitstagen erscheint. Vor allem ist es aber auch inhaltlich mit den typischen Tageszeitungen nicht vergleichbar, weil es im Gegensatz zu diesen keinen Lokal teil sowie regelmäßig keinen besonderen Sportteil und kein Feuilleton enthält. Der ganz überwiegende Inhalt befaßt sich vielmehr nach wie vor mit Börsen- und Wirtschaftsfragen, was bei den „normalen” Tageszeitungen lediglich einen (mehr oder weniger großen) Teilbereich ausnimmt. Aus dem objektiven Charakter des „Handelsblatt” läßt sich deshalb – anders als bei allgemeinbildenden und -informierenden Büchern, Zeitschriften und Tageszeitungen – nicht ohne weiteres die Vermutung ableiten, es sei (auch) aus Gründen der Lebenshaltung angeschafft worden.
Für den erkennenden Senat ist ausschlaggebend – und hier liegt möglicherweise ein Wertungsunterschied zu der wohl weniger strengen Rechtsauffassung des BFH –, in welcher Weise der jeweilige Steuerpflichtige das „Handelsblatt” konkret n...