Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzungsbescheid gemäß § 278 Abs. 2 AO
Leitsatz (redaktionell)
- Die Minderung der Vollstreckungsbeschränkung nach § 278 Abs. 2 AO darf mittels selbstständigen VA geltend gemacht werden.
- Zu Sinn und Zweck der Aufteilung der Steuerschuld gemäß § 268ff. AO.
- § 278 Abs. 2 Satz 1 AO beinhaltet einen Sonderfall der „Anfechtung” einer Vermögensverschiebung zwischen Ehegatten.
- Die Übernahme der Zins- und Tilgungsleistungen für den Erwerb eines gemeinsamen Familienheims sind keine objektiv unentgeltlichen Zuwendungen an den haushaltsführenden Ehegatten.
- Die Vollstreckungsbeschränkung wird nicht zu Lasten eines haushaltsführenden Ehegatten durchbrochen, wenn beide Ehegatten ein selbstbewohntes EFH je zur Hälfte erwerben, solange der eine Ehegatte die Einkünfte erzielt, während der andere Ehepartner den Haushalt führt und aus den Einkünften des erwerbstätigen Ehepartners Zins und Tilgung eines gemeinschaftlich aufgenommenen Darlehens zur Finanzierung des selbst genutzten EFH gezahlt werden.
Normenkette
AO §§ 268, 278
Tatbestand
Streitig ist, ob die Vollstreckungsbeschränkung gem. § 268 AO nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO durchbrochen wird.
Die Klägerin lebt mit ihrem Ehemann im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Ehemann ist R, der in der ganzen Bundesrepublik …vertretungen durchführte. Ermittlungen des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen ergaben, dass der Ehemann die Einkünfte aus den …vertretungen nicht erklärt hatte. Daraufhin schätzte der Beklagte unter Berücksichtigung der von dem Ehemann vorgelegten Unterlagen die Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1995 bis 2002.
Am 2. März 2006 ergingen im Wege der Zusammenveranlagung Einkommensteuerbescheide für die Klägerin und ihren Ehemann, die folgendes auswiesen:
Jahr |
Einkünfte EM |
Einkünfte EF |
Zahllast (ESt, KiSt. SolZ, Zinsen) |
1995 |
72.000 DM |
0 DM |
9.444,28 € |
1996 |
59.625 DM |
0 DM |
6.913,30 € |
1997 |
97.156 DM |
0 DM |
17.078,90 € |
1998 |
58.200 DM |
0 DM |
6.987,94 € |
1999 |
73.952 DM |
0 DM |
9.864,75 € |
2000 |
106.034 DM |
0 DM |
16.215,32 € |
2001 |
121.115 DM |
0 DM |
17.780,22 € |
2002 |
53.507 € |
0 € |
13.388,06 € |
Summe |
|
|
97.672,77 € |
Die Klägerin und ihr Ehemann beantragten die Aufteilung der Steuerschuld gemäß § 268 AO. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2009 stellte der Beklagte fest, dass die gesamten Nachzahlungen für die Kalenderjahre 1995 bis 2002 vom Ehemann zu entrichten waren.
Dem Beklagten fiel jedoch auf, dass die Klägerin und ihr Ehemann je zur Hälfte Eigentümerin des Grundstücks S in D waren, und dass die Klägerin und ihr Ehemann gemeinsam zwei Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises aufgenommen hatten. Diese Darlehen wurden nur von dem Ehemann der Klägerin bedient.
Nach den vorgelegten Unterlagen betrugen die Zins- und Tilgungsleistungen in den Jahren 1992 bis 2002 insgesamt 171.621 €, wobei der Beklagte für einzelne Jahre Schätzungen vornahm, weil entsprechende Unterlagen nicht mehr vorlagen. Der auf die Klägerin entfallende, aber von dem Ehemann geleistete Anteil betrug danach 85.810 €.
Am 26. März 2010 erging ein Ergänzungsbescheid zu dem Aufteilungsbescheid vom 9. Oktober 2009, mit dem festgestellt wurde, dass über den dort bezeichneten Betrag in Höhe von 0 € die Vollstreckung wegen eines weiteren Betrags in Höhe von 85.810 € zulässig sei. Begründet wurde der Bescheid mit der Vorschrift des § 278 Abs. 2 AO.
Der am 1. April 2010 erhobene Einspruch war nur teilweise erfolgreich. Der Beklagte setzte mit Einspruchsbescheid vom 24. Juni 2010 den vollstreckbaren Betrag von 85.810 € auf 59.967 € herab und wies den Einspruch im Übrigen zurück. Er führte aus, dass der Ehemann der Klägerin unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewandt habe. Dies sei nicht nur bei Zuwendungen von Wirtschaftsgütern gegeben, sondern bei allen Zuwendungen materieller Art. Es handele sich im vorliegenden Fall um sog. unbenannte ehebedingte Zuwendungen. Solche Zuwendungen seien in der Regel unentgeltlich. Es mache keinen Unterschied, ob der Ehemann der Klägerin zur Begleichung der Zins- und Tilgungsleistungen die erforderlichen Geldbeträge zuwende oder die Zins- und Tilgungsleistungen selbst erbringe. Die Zahlungen hätten zu einer Vermögensverschiebung zu Gunsten der Klägerin und zu einer Beeinträchtigung der Vollstreckungsmöglichkeiten des Finanzamts geführt. Eine konkrete Gegenleistung der Klägerin für die erhaltenen Zuwendungen sei nicht gegeben. Die Haushaltstätigkeit sei keine Gegenleistung für die unbenannte Zuwendung. Die in dem Kommentar Hübschmann/ Hepp/ Spitaler zu § 278 AO Rz. 16 geäußerte Auffassung sei eine Einzelmeinung. Mehrere Finanzgerichte hätten die monatliche Übernahme von Zins- und Tilgungsleistungen als unentgeltliche Zuwendung gewertet (Niedersächsisches Finanzgericht vom 14. Dezember 1999 15 K 687/96; Finanzgericht Münster vom 11. Januar 2001 12 K 2837/99 S, EFG 2001, 669; Finanzgericht Rheinland-Pfalz vom 28. April 2005 6 K 1174/02, EFG 2005, 1511). Allerdings könnten in den vollstreckbaren Betrag die Übernahme der Zins- und Tilgungsleistungen fü...