rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Erlass bei (krankheitsbedingt) fehlender Vermietungsabsicht trotz zunächst erklärter Werbungskostenüberschüsse

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen eines Erlasses nach § 227 AO.
  2. Ein Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen setzt u. a. voraus, dass der Stpfl. erlassbedürftig ist. Dies bemisst sich nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen.
  3. Bleiben die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Kl. trotz wiederholter Bemühungen letztlich ungeklärt, weil der Kl. seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, ist die Klage schon deshalb abzuweisen.
  4. Nimmt jemand krankheitsbedingt von jedweder Vermietung Abstand, so sind WK-Überschüsse aus VuV nicht anzuerkennen. Denn geht es um WK-Überschüsse, muss der jeweilige Kl. nachweisen, dass er vermieten wollte und alles dazu Erforderliche getan hat.
 

Normenkette

AO § 227

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 15.07.2015; Aktenzeichen IX B 38/15)

 

Tatbestand

Streitig ist der Erlass von Abgaben, die aus der Änderung diverser Einkommensteuerbescheide entstanden sind.

Der Kläger erzielt zurzeit keine eigenen Einkünfte. Der Kläger lebte mindestens seit 1994 selbst in einem 3-Familien-Haus, das ihm im Jahre 1994 von seinen Eltern im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen worden war. Eine der drei Wohnungen stand seit mindestens 1996 leer. Eine Wohnung war noch bis in das Jahr 2000 hinein vermietet. Für die Jahre 1996 bis 2003 hatte der Kläger in der Vergangenheit laufend Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Die Bescheide ergingen - mit Ausnahme für 1997 - vorläufig nach § 165 der Abgabenordnung im Hinblick auf die Einkünfteerzielungsabsicht. Das FA änderte später die Bescheide und berücksichtigte die auf den Leerstand entfallenden Wohnflächen nicht mehr bei der Ermittlung der Einkünfte. Mit ihrer Klage (3 K 10327/11) und ihrer Nichtzulassungsbeschwerde (IX B 175/12) gegen die Änderungsbescheide hatten die Kläger keinen Erfolg. Damit endete die vom FA zunächst gewährte Aussetzung der Vollziehung. Daraus ergaben sich mit Stand April 2013 Abgabenrückstände von rund 35.000 € (inklusive Zinsen).

Die Kläger beantragten mit Schriftsatz vom 4. Juni 2013 Erlass dieser Abgaben. Das FA lehnte einen Erlass ab. Im Einspruchsverfahren begründeten sie den Erlass u.a. damit, dass eine Veräußerung der Immobilie zur Bezahlung der Abgabenrückstände dem Kläger nicht zumutbar sei, da er - wie inzwischen festgestellt worden sei - seit seiner Kindheit an einer autistischen Störung (Asperger-Syndrom; F84.5 nach dem ICD-Code) leide. Die Übertragung der Immobilie "zu treuen Händen" durch seine Eltern sei für ihn eine Bürde. Gleichzeitig könne er sich von der Immobilie nicht trennen, da sie einen ideellen Wert für ihn habe. Es sei zu befürchten, dass durch einen Verkauf nachhaltige Schäden für die Psyche des Klägers eintreten könnten. Dies drohe ebenfalls bei einer Vollstreckung in das Gebäude. Ebenso könne er die nicht vermieteten Teile des Gebäudes nicht vermieten, da er aufgrund seiner Erkrankung im gleichen Haus Dritte nicht so nah an sich heranlassen könne. Er verfüge nicht über ausreichende Mittel, um die Abgabenrückstände zu bezahlen. Er sei arbeitslos. Die Immobilie sei mit einem Darlehen in Höhe von 37.000 € belastet. Ein Girokonto befinde sich mit rund 8.000 € im Soll. Er habe im Bekanntenkreis Darlehen über rund 49.000 € aufgenommen. Mit einer Arbeitsaufnahme sei angesichts seines Alters und seiner Erkrankung kaum zu rechnen. Die Einziehung sei im Einzelfall unbillig.

Das FA lehnte im Einspruchsbescheid vom 21. Februar 2014 den Erlass aus persönlichen Billigkeitsgründen weiterhin ab, da die Kläger - entgegen der Aufforderung des FA vom 22. August 2013 (Bl. 35 der Erlassheftung) - ihre wirtschaftlichen Verhältnisse nicht insgesamt dargestellt und nachgewiesen hatten. Gegen die Ablehnung des Erlasses richtet sich die Klage.

Die Kläger sind der Ansicht, die Einziehung der Abgabenrückstände sei bereits aufgrund der diagnostizierten Erkrankung in jedem Fall unbillig. Bereits eine ablehnende Entscheidung könne sich negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken. Zugleich scheide eine Verwertung/ ein Verkauf, Vermietung oder Beleihung der Immobilie wegen der Erkrankung des Klägers aus. Er könne sich weder von der Immobilie trennen noch mit Dritten zusammen in der Immobilie leben. Der Kläger werde auch in Zukunft nicht in der Lage sein, einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Das Gericht solle insoweit Beweis durch Sachverständigengutachten erheben. Wegen der Einzelheiten wird auf die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge verwiesen (vgl. Anlage zum Protokoll). Letztlich komme es unter diesen besonderen Umständen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse gar nicht mehr an.

Im Übrigen sei, das habe das FA übersehen, dass auch sachliche Billigkeitsgründe bestünden. Der Kläger habe nämlich in allen Streitjahren des Vorprozesses wegen seiner Erkrankung gar keine Wohnung vermieten können, d...

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