Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage wegen Zahlung von Kindergeld ist mangels Vorverfahren unzulässig, soweit der Zeitraum nach Ergehen des Einspruchsbescheides betroffen ist
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Bescheid, durch den ein Antrag auf Festsetzung von Kindergeld abgelehnt wird, erschöpft sich in der Regelung des bis dahin abgelaufenen Zeitraums.
- Über in der Zukunft liegende und damit zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht entstandene Kindergeldansprüche trifft ein Ablehnungsbescheid keine Regelung; insoweit ist ein Vorverfahren unerlässlich. Anderenfalls ist die insoweit erhobenen Klage unzulässig.
- Zu den Voraussetzungen eines Pflegekindschaftsverhältnisses zu volljährigen Kindern.
- Kindergeld für Pflegekinder setzt nicht voraus, dass das erwachsene geistig behinderte Kind in seiner geistigen Entwicklung einem Kind gleichsteht. Auch zu volljährigen Kindern, deren Behinderungsgrad unter 100 % liegt, kann daher als Pflegekindschaftsverhältnis begründet werden.
- Mit Beginn einer partnerschaftlichen Beziehung zwischen Pflegevater und Pflegekind endet das Pflegekindschaftsverhältnis.
Normenkette
FGO § 44; EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob zwischen dem Kläger und seiner volljährigen Schwägerin und jetzigen Ehefrau G. H. (geb. S.) und seinem volljährigen Schwager H. S. Pflegekindschaftsverhältnisse bestehen.
G. H., geboren am 26. Februar 1968, und H. S., geboren am 21. August 1977, lebten nach den Angaben des Klägers mindestens seit 1980 mit ihrer verwitweten Mutter E. S. und weiteren drei Geschwistern zusammen. Bis zu ihrem Tod im September 2004 erhielt die Mutter nach Aktenlage Kindergeld (gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG) für ihre Kinder G. und H.
Der Kläger lernte nach eigenen Angaben die Familie S. im Rahmen einer Hilfe bei einem Umzug Ende 1980 kennen. Anschließend begann er eine Beziehung mit der Tochter von E. S. aus erster Ehe, S. B.. Die Eheschließung erfolgte am 8. Juli 1983. Nach Angaben des Klägers besteht seit dieser Zeit ein enger Kontakt zu G. und H.. Dieser enge Kontakt blieb erhalten, weil die Familien S. und H. (Familie des Klägers) in der Folgezeit zwar in verschiedenen Wohnungen, räumlich aber nie mehr als 5 km voneinander entfernt gewohnt hatten.
Ausweislich eines vorgelegten Bescheides des Versorgungsamtes Oldenburg vom 14. März 1990 ist G. H. geistig-, seelisch- und sehbehindert beiderseits, und zwar mit einem Grad der Behinderung von 100 v.H. (gesundheitliche Merkmale „G”, „H”, „B”). Auch H. S. gehört ausweislich des Bescheides des Versorgungsamtes Oldenburg vom 17. August 2000 zum Personenkreis der Schwerbehinderten. Der Grad der Behinderung beträgt 70 v.H. Ausweislich des Bescheides wurden folgende Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt:
- geistig-seelische Behinderung (Grad der Behinderung: 50 v.H.)
- Anfallsleiden (Grad der Behinderung: 30 v.H.)
- Sehbehinderung (Grad der Behinderung: 20 v.H.).
Ausweislich der Bescheide des Landkreises Aurich vom 15. September 2005 haben G. H. und H. S. Anspruch auf Grundsicherung im Alter und wegen Erwerbsminderung. Sie erhalten laufende Leistungen nach SGB XII.
Nach dem Tod der Mutter E. S. kümmerte sich der Kläger zunächst gemeinsam mit seiner Tochter M. H. um G. H. und H. S.. Andere Familienangehörige lebten seinerzeit nicht mehr in dem Haushalt.
Nach dem Tod der Mutter beantragte zunächst die Tochter des Klägers, M. H., Kindergeld für G. H. und H. S.. Nach dem Wegzug der Tochter wurde dieser Antrag jedoch nicht weiterverfolgt.
Am 1. Juli 2004 schlossen G. H. und H. S. einen Mietvertrag über ein Reihenendhaus, …. In dieses Haus zog der Kläger ein. Die Ummeldung erfolgte am 9. September 2005.
Der Kläger bezieht Leistungen nach SGB II von der ARGE Norden. Ausweislich eines Schreibens der Arbeitsgemeinschaft der Arbeitsagentur Emden vom 10. April 2006 kam es zu einer Änderung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SBG II mit Wirkung vom 1. Mai 2006, da G. H. ab diesem Zeitpunkt als Partnerin (Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft) anerkannt wurde.
Seit 4. Januar 2008 ist der Kläger mit G. H. verheiratet.
Nach eigenen Angaben im Schriftsatz vom 7. September 2009 übernahm der Kläger mit dem Einzug alle Betreuungsleistungen. Danach erbrachte er für G. H. und H. S. folgende Leistungen:
- Erledigung aller finanziellen Transaktionen
- Verfügung über das gesamte Einkommen
- Gestaltung des Zusammenlebens
- Überwachung und Bestimmung aller hauswirtschaftlichen Arbeiten
- Überwachung der persönlichen Pflege, einschl. Kleidung und Wäschepflege.
Am 13. September 2005 stellte schließlich der Kläger einen Antrag auf Kindergeld für die volljährigen Kinder G. H. und H. S.. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Januar 2006 ab. Zur Begründung führte die Beklagte an, dass mit einem familienfremden Kind, das nach Eintritt der Volljährigkeit mit dem Ziele des dauernden...