Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Alters für Kindergeldbezug bei falschem Geburtsdatum in Ausweispapieren
Leitsatz (redaktionell)
- Ob die Altersgrenze des § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG eingehalten ist, richtet sich allein nach dem tatsächlichen Lebensalter des Kindes.
- Der Nachweis des genauen Geburtsdatums ist für die Berücksichtigung als Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht ausschlaggebend.
- § 33a SGB I (altersabhängige Rechte) ist für die Kindergeldfestsetzung nach dem EStG ohne Bedeutung.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
Streitjahr(e)
2004, 2005, 2006
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob es für den Bezug von Kindergeld auf das in amtlichen Dokumenten ausgewiesene oder das tatsächliche (biologische) Alter des Kindes ankommt.
Der Kläger bezog Kindergeld für seinen in Ausbildung befindlichen Sohn H. Nach den Angaben in seinem Personalausweis wie auch nach den Angaben des Klägers in seinem Kindergeldantrag vom 26. März 1998 ist H am 11. März 1982 in der Türkei geboren. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass H das 21. Lebensjahr nicht vor dem 1. Februar 2005 vollendet hat. Der Kläger lebt mit seiner Familie seit 1989 in Deutschland.
Im April 2004 beteiligte sich H an einer Straftat und befand sich bis Ende September 2004 in Untersuchungshaft. Aus den im Strafverfahren eingeholten Altersgutachten ergibt sich, dass der 11. März 1982 als Geburtsdatum des H ausgeschlossen und er jünger ist.
Der Arbeitgeber kündigte H im Mai 2004 fristlos. Vom 4. Oktober 2004 bis zum 1. Oktober 2005 war H bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet.
Die Beklagte (die Familienkasse) hob mit Bescheid vom 3. November 2005 die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Juni 2004 bis Februar 2005 auf, weil die Voraussetzungen für die Berücksichtigung für ein Kind, das das 21. Lebensjahr vollendet habe, nicht gegeben seien. Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsbescheid vom 13. Februar 2006) die Klage.
Der Kläger behauptet, H sei im Herbst 1985 geboren. Eine Änderung des Geburtsdatums in den amtlichen Dokumenten sei nicht möglich, weil kein konkretes Datum angegeben werden könne.
Nachdem er zunächst Kindergeld auch für den Zeitraum Juni bis September 2004 begehrt hat, beantragt der Kläger,
unter Aufhebung des Bescheides vom 3. November 2005 sowie der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 2006 für den Sohn des Klägers Kindergeld ab Oktober 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, nach § 33a Sozialgesetzbuch (SGB) I komme es im Streitfall auf das Geburtsdatum an, das der Kläger bei seinem Antrag auf Kindergeld angegeben habe. Das sei der 11. März 1982 gewesen. Da das Kindergeld gemäß § 31 Einkommensteuergesetz (EStG) der Familienförderung diene und damit einer Sozialleistung vergleichbar sei, soweit es für die Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums des Kindes nicht benötigt werde, sei § 33a SGB I hier analog anwendbar.
Sollte § 33a SGB I nicht analog anwendbar sein, müsse auf das in den amtlichen Ausweisen eingetragene Geburtsdatum für die Berechnung des Lebensalters des Kindes abgestellt werden. Das Lebensalter werde nach § 108 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 187 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom Tag der Geburt an berechnet. Daher müsse ein konkretes Geburtsdatum der Altersberechnung zugrunde gelegt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 3. November 2005 und der Einspruchsbescheid vom 13. Februar 2006 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit die Kindergeldfestsetzung für den Sohn H für den Zeitraum vom Oktober 2004 an unterblieben ist.
H ist bei dem Kläger vom Oktober 2004 an gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG als Kind zu berücksichtigen. H stand nicht in einem Beschäftigungsverhältnis und war bei einer Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet. Er hatte auch das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet. Aus den im Strafverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten ergibt sich, dass der im Personalausweis des H und im Kindergeldantrag angegebene 11. März 1982 als Geburtsdatum ausgeschlossen ist. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass H nicht vor dem 1. Februar 2005 sein 21. Lebensjahr vollendet hat. Er hat damit in dem hier streitigen Zeitraum die Altersvoraussetzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt.
Es ist unschädlich, dass sein genaues Geburtsdatum unbekannt ist. Der Gesetzgeber hat die Berücksichtigung als Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG davon abhängig gemacht, dass das Kind das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht aber zusätzlich vom Nachweis des genauen Geburtsdatums. Die Frage, wann H die Altersgrenzen des § 32 Abs. 4 EStG überschreitet, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich.
Die Vorschrift des § 33a SGB I ist für die Kindergeldfestsetzung nach dem Einkommensteuergesetz ohne Bedeutung. Sind Rechte ode...