vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zur Durchführung eines ärztlich verordneten Funktionstrainings (Wassergymnastik) keine außergewöhnlichen Belastungen. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VI R 1/23)
Leitsatz (redaktionell)
- Entscheidet sich ein Steuerpflichtiger, ein ärztlich verordnetes Funktionstraining (im Streitfall: Wassergymnastik) in einem näher zu seinem Wohnort gelegenen Fitnessstudio durchzuführen, stellen die Mitgliedsbeiträge für ein hierfür zugeschnittenes Grundmodul (im Streitfall: Wellness und Spa ) jedenfalls dann keine außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes dar, wenn mit dem Mitgliedsbeitrag auch weitere Leistungen abgegolten werden (im Streitfall: Saunanutzung; Aqua Fitnesskurse), die ihrer Art nach nicht nur von kranken, sondern auch gesunden Menschen in Anspruch genommen werden, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten, und eine Aufteilung nach objektiven Kriterien nicht möglich ist. Gegen die Zwangsläufigkeit spricht insbesondere, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet ist, die ärztlich verordneten Kurse auch außerhalb eines Fitnessstudios durchführen zu können. Allein die räumliche Nähe des Fitnessstudios zum Wohnort, die Einsparung von Park- und Fahrtkosten sowie die größere zeitliche Flexibilität hinsichtlich der Durchführung und Nachholung der Kurse können die Zwangsläufigkeit der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio nicht begründen. Ob etwas Anderes gelten kann, wenn dem Steuerpflichtigen zur Durchführung der ärztlich verordneten Kurse in einem Fitnessstudio keine sinnvolle Alternative zur Verfügung steht, konnte der Senat offenlassen.
- Etwas Anderes gilt jedoch für die zwangsläufig angefallenen Mitgliedsbeiträge für einen Reha Verein, der die ärztlich verordneten Kurses in einem Fitnessstudio durchführt. Diese zählen zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden Heilbehandlungskosten.
- Die Aufwendungen für die Fahrten zum Fitnessstudio, die ausschließlich in Zusammenhang mit der Durchführung der ärztlich verordneten Kurse anfallen, teilen das Schicksal der Kurskosten als zwangsläufige Heilbehandlungskosten (im Streitfall: Übernahme der Kurskosten durch die Krankenkasse) und stellen daher ebenfalls außergewöhnliche Belastungen dar.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Aufwendungen für die Durchführung von Funktionstraining (ärztlich verordnete Wassergymnastik) in einem Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastungen.
Die Klägerin ist ledig und wird im Streitjahr 2018 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Sie ist als kaufmännische Export-Sachbearbeiterin nichtselbstständig tätig. Sie ist behindert im Sinne des § 33 b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Grad der Behinderung beträgt 30 ab dem 1. März 2014. Es liegt eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit vor (vgl. Bescheinigung des Niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie, Außenstelle Hannover, vom 3. Juli 2014). Ausweislich eines Attestes der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis „X” vom 24. September 2017 weist die Klägerin ein sehr ausgeprägtes multimorbides Krankheitsbild auf; sie werde weiterhin medikamentös, psychotherapeutisch und mit physikalischen Maßnahmen und Akupunktur behandelt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf das Attest vom 24. September 2017 Bezug genommen.
Zur Behandlung der zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkungen und zur funktionellen Verbesserung und Schmerzreduktion wurde der Klägerin ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet (vgl. Verordnung vom 3. April 2018, jährliches Folgeattest). Die zuständige Krankenkasse übernahm die Kosten für ein wöchentliches Funktionstraining für die Dauer von 12 Monaten.
Zunächst führte die Klägerin die verordneten Wassergymnastikeinheiten beim … Verein durch. Dort konnte die Klägerin jedoch aufgrund ihrer privaten und beruflichen Situation das Reha-Funktionstraining nur am Samstag wahrnehmen. Andere Zeiten seien aufgrund der Berufstätigkeit der Klägerin nicht möglich gewesen. Nach eigenen Angaben erkundigte sich die Klägerin in der Folge, ob es in ihrer Umgebung eine günstigere Möglichkeit zur Teilnahme am Reha-Funktionstraining gebe. So entschied sich die Klägerin letztlich, die Wassergymnastik im E Fitnessstudio durchzuführen. Die Gesamtfahrtstrecke reduzierte sich dadurch von zuvor 18 km auf 11 km. Dort finden spezielle Kurse statt, an welchen nur solche Personen teilnehmen können, die aus Krankheitsgründen eine entsprechende Verordnung erhalten haben. Die Kurse werden von qualifizierten Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz für den Rehabilitationssport durchgeführt. Die Klägerin meldete sich in diesem Fitnessstudio als Mitglied an, was zwangsläufig erfolgen musste. Sie musste dann auch den Baustein „Wasserwelt” (Modul Wellness und Spa) b...