vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Abfindungen
Leitsatz (redaktionell)
Es ist nicht verfassungswidrig, dass eine Abfindung nur dann ermäßigt besteuert wird, wenn sie zu einer Zusammenballung von Einkünften führt.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; EStG § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Abfindung, die die Klägerin im Jahr 2019 erhalten hat, ermäßigt zu besteuern ist.
Die Klägerin war seit 2010 als Arbeitnehmerin der X beschäftigt. Am 11. September 2018 schlossen die Klägerin und X einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dringenden betrieblichen Gründen mit Ablauf des 31. Januar 2019. Nach § 2 Abs. 1 des Aufhebungsvertrags erhielt die Klägerin bis zum Vertragsende ein monatliches Gehalt in Höhe von … € brutto. Außerdem enthielt der Aufhebungsvertrag Regelungen zu variablen Vergütungen der Klägerin. Unter anderem erhielt die Klägerin für die Monate Oktober 2018 bis Januar 2019 eine anteilige variable Vergütung in Höhe von … € (brutto), die mit dem Dezembergehalt für 2018 ausgezahlt wurde (§ 2 Abs. 3 des Aufhebungsvertrags).
Der Aufhebungsvertrag enthielt darüber hinaus die Vereinbarung, dass der Arbeitgeber der Klägerin für den Verlust des Arbeitsplatzes im Januar 2019 eine einmalige Abfindung in Höhe von … € (brutto) zahlte (§ 3 des Abfindungsvertrags).
Im Jahr 2018 erhielt die Klägerin weitere Bonuszahlungen in Höhe von insgesamt … € brutto. …. Das reguläre Monatsgehalt der Klägerin wurde letztmalig zum 1. Oktober 2018 auf … € erhöht.
In den Veranlagungszeiträumen 2016 bis 2019 erzielte die Klägerin folgende Einkünfte: …
Ausweislich der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung der Klägerin für das Streitjahr 2019 erhielt die Klägerin im Streitjahr einen ermäßigt besteuerten Arbeitslohn in Höhe von … €. Die Klägerin fügte ihrer Einkommensteuererklärung eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit bei, wonach sie vom 1. bis 14. Februar 2019 Arbeitslosengeld bezog. In der Folgezeit des Jahres 2019 stand sie nach den mündlichen Angaben des Prozessbevollmächtigten wegen der durch den unerwarteten Verlust des Arbeitsplatzes erlittenen Belastungen dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung.
In ihrer am 8. Mai 2020 elektronisch abgegebenen Einkommensteuererklärung machte die Klägerin geltend, der Betrag von … € sei ermäßigt zu besteuern. Außerdem erklärte die Klägerin einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von … €.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 6. Juli 2020 unterwarf der Beklagte einen ohne erkennbaren Grund mit … € angesetzten Bruttoarbeitslohn der regulären Besteuerung. Zur Erläuterung führte der Bescheid aus: „ … Die Voraussetzungen für ermäßigt zu besteuernde Entschädigungen liegen nicht vor. Es ist keine Zusammenballung im Sinne des § 34 EStG gegeben, weil durch die Entschädigung die bis zum Jahresende weggefallenen Einnahmen nicht überschritten wurden. Nach dem Erlass des Bundesministers für Finanzen vom 25.05.2005, abgedruckt im Bundessteuerblatt 2004 Teil I, Seite 505 und 633, Tz. 12 ist (für die Frage der Zusammenballung) bei der Berechnung der maßgebenden Vergleichseinkünfte auf die Einkünfte des Vorjahres abzustellen. Die Vergleichsberechnung ist grundsätzlich anhand der jeweiligen Einkünfte lt. Steuerbescheid/Steuererklärung vorzunehmen. …“
Ihren hiergegen eingelegten Einspruch begründete die Klägerin wie folgt: Nach Auffassung des Beklagten sei die Abfindung nicht steuerlich begünstigt, weil sie zu gering gewesen sei und die Klägerin im Veranlagungszeitraum noch kein neues Beschäftigungsverhältnis gefunden habe, durch das sie gleiche Einkünfte wie im Vorjahr erzielt habe. Hierdurch werde der Klägerin eine Steuervergünstigung versagt, weil sie weniger leistungsfähig sei als jemand, der entweder eine höhere Abfindung erhalten hätte oder sofort eine neue Stelle gefunden hätte. Dies sei ein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Darüber hinaus habe die Klägerin im Veranlagungszeitraum 2018 erfolgsabhängige Sonderzahlungen erhalten, von denen für Folgejahre nicht ohne weiteres ausgegangen werden könne. Die „Kündigung“ der Klägerin sei betriebsbedingt erfolgt und ihr Arbeitsplatz ersatzlos weggefallen. Die Abfindung sei nach der gängigen Formel „Monatslohn x Jahre der Betriebszugehörigkeit“ berechnet worden. Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit wäre sie also höher oder niedriger ausgefallen. Damit werde eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Vergütung für mehrere Jahre handele und damit § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) anzuwenden sei.
Der Beklagte hielt dem entgegen, nach ständiger Rechtsprechung setze die von der Klägerin begehrte Anwendung der Begünstigung des § 34 Abs. 1 EStG voraus, dass die Entschädigungsleistung zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließe. Dies sei stets der Fall, wenn die anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses gezahlte Entschädigung die entgehenden Einnahmen übersteige, die der Arbeitnehmer bei Fortsetzung des Arbeitsver...