Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Durchbrechung der Bestandskraft wegen der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Emmott. Umsatzsteuer 1981 bis 1988 und 1990

 

Tenor

Die Klagen werden abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten.

 

Tatbestand

Der Kläger betrieb in den Streitjahren ein Unternehmen, in dessen Rahmen er u.a. Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit aufstellte. Seine Umsätze ermittelte er, indem er die jeweiligen Umsätze auf das 1,5-fache des Kasseninhaltes abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer schätzte. Der Beklagte setzte die Umsatzsteuer nach den eingereichten Jahreserklärungen bzw. Feststellungen von Außenprüfungen fest. Die Umsatzsteuerfestsetzungen sind aufgrund des Ablaufs der nach der Abgabenordnung geltenden Festsetzungsfristen bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 24. November 1994 beantragte der Kläger, die Umsätze aus den Geldspielautomaten für die Streitjahre 1988 und 1990 entsprechend der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Mai 1994 (Az.: C 38/93, BStBl II 1994, 548) entgeltsmäßig auf den Kasseninhalt zu beschränken und die Umsatzsteuer entsprechend herabzusetzen. Mit Bescheid vom 22. Mai 1995 lehnte der Beklagte eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen ab. Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 14. Juni 1995 Einspruch ein. Ferner legte er mit Schreiben vom 11. Juli 1995 Einspruch gegen die Umsatzsteuerbescheide 1981 bis 1988 und 1990 ein. Mit Bescheiden, jeweils vom 6. September 1995, verwarf der Beklagte die Einsprüche, unter anderem mit dem Hinweis auf den Eintritt der Bestandskraft der Umsatzsteuerfestsetzungen.

Hiergegen richten sich die Klagen. Der Kläger macht geltend, ihm könne der Ablauf der Rechtsbehelfsfrist des § 355 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) nicht entgegengehalten werden, da eine gemeinschaftsrechtliche Fristenhemmung bestehe. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in der Rechtssache … (C – 208/90, EuGE 1991 I, S. 4292 ff.) entschieden, daß nationale Rechtsbehelfsfristen dem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden könnten, wenn der betreffende Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) eine EG-Richtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt habe. Im Streitfall liege ein Umsetzungsdefizit vor. Die unterschiedliche Beurteilung der Geldspielautomatenumsätze durch den Bundesfinanzhof einerseits und den Europäischen Gerichtshof andererseits beruhe auf einer Abweichung der nationalen Vorschrift von der Richtlinienbestimmung. Aus der Vorabentscheidung des EuGH in der Rechtssache … (C 38/93 vom 5. Mai 1994) ergebe sich, daß § 10 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) keine ordnungsgemäße Umsetzung der Bestimmung des Art. 11 Teil A Abs. 1 a der 6. EG-Richtlinie darstelle. Der EuGH habe dabei den Inhalt der Bemessungsgrundlage abweichend von der bisherigen nationalen Rechtsanwendung zu § 10 Abs. 1 UStG ausgelegt. Hieraus folge, daß der Entgeltsbegriff des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG jedenfalls in bezug auf Geldspielautomatenumsätze keine ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinie darstelle. Während § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG das Entgelt aus der Sicht des Leistungsempfängers definiere, bestimme die 6. EG-Richtlinie die Besteuerungsgrundlage aus der Sicht des Leistenden. Die unterschiedlichen Ergebnisse, zu denen der EuGH einerseits und der BFH andererseits gelangt seien, seien nicht zur Folge einer Beurteilungsdifferenz, sondern zwingender Ausfluß der bereits im Ansatz nicht deckungsgleichen Standpunkte beider Bestimmungen. Zumindest habe der nationale Gesetzgeber durch sein Verhalten einen Zustand der Unsicherheit geschaffen, in dem der einzelne Marktbürger nicht in die Lage versetzt gewesen sei, in vollem Umfang von seinen Rechten Kenntnis zu erlangen.

Eine Verpflichtung zur Änderung der Steuerfestsetzungen 1988 und 1990 sei gemäß § 173 AO begründet, weil die vierjährige Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Eine neue Tatsache liege vor. Sie liege darin, daß dem Beklagten zunächst in den Steuererklärungen zu hohe Umsätze erklärt worden seien. Dies sei dem Beklagten vom 24. November 1994 mitgeteilt worden. Ein Verschulden für dieses zu diesem Zeitpunkt erfolgte Vorbringen könne dem Kläger aus den zuvor genannten, vom nationalen Gesetzgeber verschuldeten Gründen, nicht vorgehalten werden.

Der Kläger beantragt,

die Umsatzsteuer 1981 auf minus … DM, die Umsatzsteuer 1982 auf minus … DM, die Umsatzsteuer 1983 auf … DM, die Umsatzsteuer 1984 auf … DM, die Umsatzsteuer 1985 auf minus … DM, die Umsatzsteuer 1986 auf … DM, die Umsatzsteuer 1987 auf minus … DM, die Umsatzsteuer 1988 auf … DM und die Umsatzsteuer 1990 auf … DM herabzusetzen.

Außerdem beantragt der Kläger,

das beklagte Finanzamt zu verpflichten, die Umsatzsteuerbescheide 1988 vom 9. Oktober 1990 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 6. September 1995 und den Umsatzsteuerbescheid 1990 vom 22. Juli 1992 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 6. September 1995 insoweit zu ändern als die Umsatzsteuer 1988 auf … DM und die Umsatzsteuer 1990 auf … DM herabgesetzt wird.

Der Kläger beantragt ferner, dem...

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