vorläufig nicht rechtskräftig
Revision zugelassen durch das FG
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 16/12)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenz: Veräußerungsgewinn als Masseverbindlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
- Masseverbindlichkeiten sind solche, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.
- Die durch einen Veräußerungsgewinn ausgelöste ESt, die auf einer Verwertung eines zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehörenden Hotels durch den Insolvenzverwalter beruht, stellt eine Masseverbindlichkeit dar.
- Das gilt auch, wenn durch die Veräußerung stillen Reserven realisiert worden sind, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind.
Normenkette
InsO § 148
Streitjahr(e)
2007
Tatbestand
Streitig ist, ob ein im Streitjahr erzielter Veräußerungsgewinn eine Masseverbindlichkeit darstellt.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des W. (Insolvenzschuldner). Das Insolvenzverfahren wurde am 29.12.2006 eröffnet. Zum Vermögen des Insolvenzschuldners gehörte u.a. ein Hotelgebäude nebst Inventar. Dieses hat der Kläger in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter mit notariellem Vertrag vom 27.4.2007 veräußert. Den sich hieraus ergebenden Veräußerungsgewinn i.H.v. … … EUR berücksichtigte das FA in dem gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter ergangenen Einkommensteuerbescheid 2007 vom 14.9.2009.
Mit dem hiergegen erhobenen Einspruch wandte sich der Kläger gegen die Behandlung des Veräußerungsgewinns als Masseverbindlichkeit. Zwar sei der Veräußerungsgewinn der Höhe nach unstreitig; vorliegend handele es sich aber um die Aufdeckung stiller Reserven, die ausschließlich bis zum Insolvenzstichtag entstanden seien. Die daraus resultierende Steuerforderung sei keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Insolvenzforderung, die zur Insolvenztabelle anzumelden sei.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 18.1.2010 als unbegründet zurück. Er blieb bei seiner Auffassung, dass die vom Kläger als Insolvenzverwalter durch Veräußerungsgewinne des Insolvenzschuldners realisierte Einkommensteuerschuld nicht zu den Insolvenzforderungen gehöre, und damit als Masseverbindlichkeit nicht zur Insolvenztabelle anzumelden sei. Die Einkommensteuerschuld beruhe im Streitfall auf der Verwertung der Masse durch den Kläger; dieser habe mit der Veräußerung des Grundstücks seiner Verpflichtung zur Versilberung der Insolvenzmasse (§ 148 i.V.m. § 159 Insolvenzordnung - InsO) mit der Folge genügt, dass die damit in Zusammenhang stehende Einkommensteuerschuld grundsätzlich einen Masseanspruch darstelle.
Der Begriff der stillen Reserven stehe nicht eindeutig fest. Er bezeichne die Differenz zwischen dem Buchwert eines Wirtschaftsguts und einem anderen, höheren Wert. Im Streitfall sei davon auszugehen, dass das Grundstück inklusive Inventar bereits bei Insolvenzeröffnung einen seinen Buchwert übersteigenden Verkehrswert gehabt und in diesem Sinne über stille Reserven verfügt habe. Dies sei jedoch nicht ausschlaggebend. Der Insolvenzschuldner habe im Streitfall seinen Gewinn durch Bestandsvergleich gem. § 4 Abs. 1 EStG ermitteln müssen. Ob dieser Gewinn vor oder nach der Insolvenzeröffnung erzielt wurde, hänge davon ab, in welchem Zeitpunkt die einzelnen Geschäftsvorfälle wirksam geworden seien, d.h. zu einer Veränderung des Betriebsvermögens geführt hätten.
Erst zu diesem Zeitpunkt seien auch stille Reserven mit steuerlicher Wirkung realisiert worden. Das Halten von stillen Reserven allein erfülle noch kein Besteuerungsmerkmal. Deshalb könnten die erst in einem auf die Insolvenzeröffnung folgenden Veranlagungszeitraum erzielten Veräußerungsgewinne, mit denen stille Reserven realisiert wurden, nicht die Einkommensteuerschuld des Jahres der Insolvenzeröffnung erhöhen und als vorinsolvenzlich begründet angesehen werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Urteil vom 29.3.1984 IV R 271/83, BStBl II 1984, 602).
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger sein bisheriges Begehren weiterverfolgt. Er verweist darauf, dass er das mit einem Hotelgebäude bebaute streitige Grundstück mit allen sonstigen wesentlichen Bestandteilen und Zubehör durch notariellen Vertrag vom 27.4.2007 an W. zu einem Kaufpreis von 1.550.000 EUR veräußert habe. Hierin sei das Inventar mit einem Wert von 73.780 EUR enthalten gewesen. Im Grundbuch des zuständigen Amtsgerichts seien in Abteilung III lfd. Nr. 2-12 für die Sparkasse Grundschulden i.H.v. 4,9 Mio DM, für I. W. Grundschulden i.H.v. 350.000 EUR sowie für den Beklagten Sicherungshypotheken i.H.v. 211.219,81 EUR eingetragen gewesen. Insoweit habe es sich um Absonderungsrechte gehandelt. Unter Berücksichtigung dieser Absonderungsrechte sei zwischen dem Kläger und den Absonderungsberechtigten folgende Aufteilung vereinbart worden:
- Sparkasse 1.420.000 EUR
- FA 30.000 EUR
- Kläger als Insolvenzverwalter 100.000 EUR
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