Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamtrechtsnachfolge bei unentgeltlichem Erwerb eines Sparkassenbriefes im Wege eines gerichtlichen Vergleichs in einer Nachlasssache
Leitsatz (redaktionell)
- Bei unentgeltlichem Erwerb von Wertpapieren im Wege der Gesamtrechtsnachfolge tritt der Erbe hinsichtlich der dem Erblasser bis zu seinem Tode zustehenden Zinsen in dessen Rechtsstellung ein mit der Folge, dass die auf diesen Teil nach dem Todestag des Erblassers anfallenden Zinsen für den Erben Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Wertpapiere entgeltlich erworben werden.
- Auch bei einem unentgeltlichen Erwerb eines abgezinsten Sparkassenbriefes im Wege eines gerichtlichen Vergleichs in einer Nachlasssache tritt der Erwerber wie ein Erbe hinsichtlich der dem Erblasser bis zu seinem Todes zustehenden Zinsen in dessen Rechtsstellung ein. Das hat die Folge, dass die auf diesen Teil nach dem Todestag des Erblassers anfallenden Zinsen für den Erwerber Einkünfte aus Kapitalvermögen darstellen.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 11 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1994
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist nur noch streitig, ob Zinserträge aus einem abgezinsten Sparkassenbrief von den Klägern zu versteuern sind.
Der Kläger hat im November 1994 einen Sparkassenbrief der Sparkasse S im Nominalwert von 130.000 DM eingelöst. Diesen Brief erhielt er im Zuge eines gerichtlichen Vergleichs vor dem Landgericht X in der Nachlasssache R zuerkannt. In diesem Nachlassverfahren vor dem Landgericht X war in zweiter Instanz streitig, ob der Kläger Erbe nach dem am 01.10.1991 verstorbenen R geworden war. R hatte diesen Sparkassenbrief im Jahre 1989 zu einem Ausgabepreis von 92.689 DM erworben. In dem Vergleich vor dem Landgericht vom 10.11.1993 verpflichteten sich die Erben nach R, an den Kläger den Sparkassenbrief herauszugeben. Im Gegenzug nahm der Kläger seinen Erbscheinsantrag zurück.
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1994 setzte der Beklagte (das Finanzamt - FA -) den Differenzbetrag zwischen Einlösungsbetrag und Ausgabebetrag i.H.v. 37.311 DM bei den Klägern als Einnahmen aus Kapitalvermögen an.
Hiergegen richtet sich die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage.
Die Kläger vertreten die Auffassung, dass ihnen keine Einnahmen aus Kapitalvermögen zugerechnet werden dürften. Es handele sich in der Sache nicht um Einnahmen aus Kapital; vielmehr um solche Einnahmen, die den Klägern im Rahmen eines Nachlasses zugeflossen seien. Der Kläger habe die auf den Sparkassenbrief entfallenden Zinsen nicht als Einkommen erwirtschaftet. Der Fall sei nicht mit den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen des Erwerbs im Wege der Gesamtrechtsnachfolge vergleichbar, bei denen sich der Erbe die Besitzzeit des Erblassers mit zurechnen lassen müsse. Der Kläger habe den Sparkassenbrief vielmehr aus einem gerichtlichen Vergleich erhalten. Auf diesen Zufluss sei auch bereits Erbschaftsteuer entrichtet worden. Wolle man jetzt noch den Zinsanteil der Besteuerung unterwerfen, führe dies gleichsam zu einer doppelten Besteuerung. Hätte der Kläger in dem gerichtlichen Vergleich die Zahlung eines Geldbetrages von 130.000 DM vereinbart, hätte sich die Frage der Versteuerung von Kapitaleinkünften von vornherein überhaupt nicht gestellt.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1994 dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Maßgabe des Schreibens des Berichterstatters vom 21.01.2002 herabgesetzt und Einkünfte aus Kapitalvermögen (Sparbrief der Sparkasse S) außer Ansatz gelassen werden und die Einkommensteuer 1994 entsprechend neu festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage nach Maßgabe seines Vortrags in der mündlichen Verhandlung abzuweisen.
Der Beklagte tritt der Rechtsauffassung der Kläger entgegen. Der Kapitalertrag aus dem abgezinsten Sparbrief sei dem Kläger im Zeitpunkt der Fälligkeit zugeflossen (§ 11 Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG -) und steuerlich zu erfassen. Die Zinsen aus dieser Kapitalforderung seien dem Kläger als Erwerber des Sparkassenbriefes in voller Höhe als Einnahmen aus Kapitalvermögen zuzurechnen.
Auch eine Aufteilung auf die Besitzzeit des Erblassers R und den Kläger komme nicht in Betracht.
Hinsichtlich des ursprünglich weiteren Streitpunktes „Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte” hat das FA die Kläger in der mündlichen Verhandlung insofern klaglos gestellt, dass von den insgesamt 179 Tagen, an denen der Kläger zur Arbeitsstätte in X- gefahren ist, 80 Tage anerkannt werden, an denen die Fahrten von M (48 km einfache Entfernung) zur Arbeitsstätte erfolgten. Die Kläger haben sich hiermit einverstanden erklärt und mitgeteilt, dass dieser Streitpunkt erledigt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.02.2002 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte begründet. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass die Werbu...